Der Weg ins Glueck
Kinder fortgegangen war, das unter ihnen herumgetollt hatte?
Susan arbeitete hart bis spät in die Nacht hinein. Als sie die Küchenuhr aufgezogen und Dr. Jekyll hinausbugsiert hatte, blieb sie eine Weile auf der Hausschwelle stehen und schaute über das Tal hinweg, das wie im Halbschlaf im schwachsil bernen Licht des sinkenden Neumonds vor ihr lag. Aber sie sah nicht die vertrauten Hügel und den Hafen. Sie sah den Militärflugplatz von Kingsport, wo Shirley an diesem Abend war.
Der Mond versank langsam in einer schwarzen Wolke im Westen. Das Tal verschwand im Dunkel eines plötzlichen Schattens, und tausende von Meilen weit weg waren die kanadischen Soldaten - die lebenden wie die toten - im Besitz von Vimy Ridge.
Der Name Vimy Ridge steht in blutroten und goldenen Buchstaben in den kanadischen Annalen des Ersten Weltkrieges. »Die Briten konnten es nicht erobern und die Franzosen auch nicht«, sagte ein deutscher Gefangener zu seinen Ergreifern, »aber ihr Kanadier seid solche Dummköpfe, dass ihr ausgerechnet zur falschen Zeit einen solchen Ort erobert!«
Die »Dummköpfe« eroberten ihn also - und mussten dafür bezahlen.
Jerry Meredith wurde in Vimy Ridge schwer verletzt, in den Rücken geschossen, wie es im Telegramm hieß.
»Arme Nan«, sagte Anne, als die Nachricht kam. Sie musste an ihre eigene glückliche Jugend auf Green Gables zurückdenken. Eine Tragödie wie diese hatte sie nicht gekannt. Wie die Mädchen von heute doch leiden mussten! Als Nan zwei Wochen später aus Redmond kam, sah man ihrem Gesicht an, was sie in diesen Wochen durchgemacht hatte. Auch John Meredith schien in dieser Zeit plötzlich alt geworden zu sein. Faith kam nicht nach Flause; sie war auf dem Weg über den Atlantik mit einem freiwilligen Flilfskommando. Di hatte auch versucht ihrem Vater das Einverständnis dazu abzuringen, aber sie durfte aus Rücksicht auf ihre Mutter nicht gehen. So kehrte Di nach einem Kurzbesuch nach Kingsport zu ihrer Rotkreuzarbeit zurück.
In allen Winkeln des Regenbogentals erblühten die Blumen. Rilla wartete auf die Maiblumen. Jem hatte früher seiner Mutter die ersten Maiblumen gebracht; Walter brachte sie ihr, nachdem Jem gegangen war; im letzten Frühjahr hatte Shirley sie für Mutter ausgesucht; und jetzt, wo ihre Brüder fort waren, wollte Rilla sie für sie pflücken. Doch bevor sie noch welche entdecken konnte, kam eines Abends Bruce Meredith zu Besuch mit einem Arm voll hübscher rosa Blütenzweige. Er schlich die Stufen zur Veranda hinauf und legte sie Anne auf den Schoß.
»Weil Shirley sie Ihnen nicht bringen kann«, sagte er auf seine scheue, plumpe Art.
»Dass du daran gedacht hast, wie lieb von dir!«, sagte Anne, und ihre Lippen zitterten, als sie den kleinen rundlichen Kerl ansah, wie er vor ihr stand und die Hände in die Taschen bohrte.
»Ich habe heutjem geschrieben, er soll sich keine Sorgen machen, dass Sie Ihre Maiblumen vielleicht nicht kriegen«, sagte Bruce mit ernster Miene. »Ich würde mich schon drum kümmern. Und ich hab ihm geschrieben, dass ich bald zehn werde, dann dauert’s gar nicht mehr lang, bis ich achtzehn bin und ihm beim Kämpfen helfen kann, und vielleicht kann er dann heimkommen und sich ein bisschen ausruhen. An Jerry hab ich auch geschrieben. Jerry geht’s besser, wissen Sie.«
»Ja, wirklich? Habt ihr gute Nachrichten von ihm bekommen?«
»Ja. Mutter hat heut einen Brief gekriegt, er wäre nicht mehr in Lebensgefahr.«
»Ach, Gott sei Dank!«, murmelte Anne kaum hörbar.
Bruce schaute sie erstaunt an.
»Das hat Vater auch gesagt, als Mutter es ihm gesagt hat. Aber als ich das letztens gesagt hab, als ich rausfand, dass Mr Meads Hund meiner kleinen Katze gar nichts getan hatte -ich hab erst gedacht, er schüttelt sie zu Tode -, da hat Vater furchtbar ernst dreingeschaut und gesagt, ich soll das nie wieder wegen einer Katze sagen. Aber ich hab nicht verstanden, warum, Mrs Blythe. Ich war doch so furchtbar dankbar, und es muss doch der liebe Gott gewesen sein, der Stripey gerettet hat, weil dieser Hund von den Meads ein riesiges Maul hat, und wie der den armen Stripey damit geschüttelt hat! Wieso sollte ich dem lieben Gott da nicht danken? Vielleicht«, sagte Bruce nachdenklich, »vielleicht hab ich es zu laut gesagt. Ich war halt furchtbar froh und aufgeregt, als ich gesehen hab, dass mit Stripey nichts passiert ist. Da hab ich es richtig laut ausgerufen, Mrs Blythe. Vielleicht wäre es richtig gewesen, wenn ich es so wie Sie und wie Vater
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