Der Weg ins Glueck
ich dort bleiben. Aber die alte Abbie Flagg ging mir schließlich so auf die Nerven, dass ich mir heute Abend überlegt habe, ich komme einfach hierher. Ich dachte, ich schaffe das schon, bis hier durch den tiefen Schnee zu waten, aber ich kann dir sagen, das war ein ganz schöner Reinfall! Einmal dachte ich, ich stecke für immer und ewig fest. Ist das nicht eine schreckliche Nacht?«
Ich fasste mich wieder und hatte es eilig, nach oben zu kommen. So knapp wie möglich erklärte ich Mary, was los war, und ließ sie unten stehen, während sie versuchte sich den Schnee abzubürsten. Jims’ Erstickungsanfall schien vorbei zu sein, doch kaum hatte ich sein Zimmer betreten, da bekam er schon den nächsten. Ich beugte mich über ihn und rang die Flände. Ich war einfach »zu nichts fähig«, ich konnte nichts tun außer jammern und weinen. Ich schäme mich ja so, wenn ich jetzt daran zurückdenke! Aber was hätte ich tun können? Wir hatten alles Erdenkliche versucht! Und dann hörte ich plötzlich, wie Mary Vance laut hinter mir sagte: »Nanu, dieses Kind stirbt ja gleich!«
Ich fuhr herum. Als ob ich nicht wusste, dass er stirbt - mein armer kleiner Jims! Ich hätte diese Mary Vance hinausschmeißen können - aus der Tür, aus dem Fenster, sonst wohin! Sie stand da, ganz gelassen, und betrachtete mein Baby mit ihren eigenartig hellen Augen, als ob sie ein sterbendes Kätzchen vor sich hätte. Ich hatte Mary Vance noch nie gemocht und jetzt hasste ich sie!
»Wir haben alles versucht«, sagte die arme Susan mutlos. »Es ist nicht der gewöhnliche Krupp.«
»Nein, es ist Diphtherie«, sagte Mary, ohne zu zögern, und griff nach einer Schürze. »Viel Zeit haben wir nicht mehr, aber ich weiß, was zu tun ist. Als ich Vorjahren bei Mrs Wiley in Overharbour wohnte, da starb Will Crawfords Kind an Diphtherie, obwohl zwei Ärzte da waren. Meine alte Tante Christina MacAllister hörte davon. Sie war diejenige, die mich durchgebracht hat, als ich fast an Lungenentzündung gestorben wäre. Sie war wirklich ein Wunder, mit ihr konnte es kein Arzt aufnehmen. Sogar von ihrer Nachkommenschaft lassen sie heute die Finger, kann ich euch sagen. Sie sagte, wenn sie dabei gewesen wäre, dann hätte sie ihn mit der Medizin ihrer Großmutter retten können. Sie sagte Mrs Wiley auch, was das für eine Medizin war, und ich habe es mir gut gemerkt. Ich hab ein gutes Gedächtnis. In meinem Hinterkopf sind die Dinge versteckt, und wenn ich sie brauche, kommen sie heraus. Hast du Schwefel im Haus, Susan?«
Ja, wir hatten Schwefel im Haus. Susan ging ihn mit Mary holen und ich stützte Jims solange. Ich hatte keine Hoffnung, nicht den leisesten Hoffnungsschimmer. Mary Vance konnte noch so sehr prahlen - das hat sie immer schon getan -, ich glaubte ihr einfach nicht, dass irgendeine großmütterliche Medizin Jims jetzt noch helfen konnte. Mary kam sogleich zurück. Sie hatte sich ein Stück dicken Flanellstoff vor Mund und Nase gebunden und trug Susans alte Blechpfanne herein, die halb gefüllt war mit glühenden Kohlen.
»Jetzt passt auf«, sagte sie großspurig. «Ich hab das noch nie gemacht, aber ich weiß, wie’s geht. Entweder bringt es einen um oder es hilft - aber dieses Kind wäre sowieso gestorben.«
Sie verteilte einen Löffel voll Schwefel auf den Kohlen; dann hob sie Jims auf, drehte ihn um und hielt ihn mit dem Kopf nach unten direkt über diese erstickenden, blendenden Flammen. Ich weiß nicht, wieso ich nicht vorsprang und ihn wegriss. Susan sagt, weil es so vorherbestimmt war, und ich glaube, sie hat Recht, denn es kam mir wirklich so vor, als wäre ich unfähig, mich von der Stelle zu bewegen. Susan sah aus wie erstarrt, wie sie Mary von der Tür aus beobachtete. Jims drehte und wand sich in Marys großen, starken Händen -Kraft hat sie, das muss man sagen. Er würgte und keuchte und keuchte und würgte, und ich hatte das Gefühl, er würde zu Tode gefoltert. Dann plötzlich - es kam mir vor wie eine Stunde, obwohl es bestimmt nur kurz gedauert hat plötzlich hustete er die Membran weg, die ihn fast umgebracht hätte. Mary drehte ihn wieder herum und legte ihn zurück in sein Bett. Er war schneeweiß im Gesicht, und die Tränen flössen aus seinen braunen Augen, aber er war nicht mehr so schrecklich blau, und er konnte wieder ohne Schwierigkeit atmen.
»Na, was sagt ihr zu dem Trick?«, fragte Mary lachend. »Ich hatte keine Ahnung, was passiert, aber ich hab es einfach ausprobiert. Ich werde seinen Rachen im Lauf der
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