Der Weg nach Kaarborg: Ragnor Band 2 (German Edition)
Knochenbrüche an Arm und Bein sind nicht so schlimm, sie würden wieder heilen, aber ich fürchte, nachdem ich ihren Schädel abgetastet habe, dass sie bei ihrem Sturz aus großer Höhe mit dem Kopf auf dem Pflaster aufgeprallt ist und sich einen komplizierten Schädelbruch zugezogen hat. Wenn es dabei zu Absplitterungen oder inneren Blutungen gekommen ist, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Ohnmacht nicht mehr erwache, sondern sterben."
Ragnor sah ihn ganz entgeistert an, als könnte er das Gehörte nicht glauben, und fragte völlig fassungslos: "Sagt nicht so was! Es muss doch einen Weg geben, sie zu retten. Bitte sagt uns, was wir tun können!"Zuerst wollte der Feldscher nicht so recht, da er keine Hoffnung hatte und vor allem keine falschen Erwartungen wecken wollte, aber dann ließ er sich doch breit schlagen über die geringen Möglichkeiten zu reden, welche sich seiner Ansicht nach boten. Er erläuterte ihnen ausführlich, dass neben dem Risiko, dass sie an einer inneren Blutung oder dem Schädelbruch sterben könnte, vor allem die Gefahr des Verdurstens sehr groß war, wenn sie länger bewusstlos bliebe. Dies musste vor allem bekämpft werden, in dem man permanent bei ihr blieb und ihr immer wieder Wasser. Selbstständig schlucken würde sie mit Sicherheit nicht können, da das Risiko, dass ihr Wasser in die Luftröhre geriet, viel zu groß war. Die Mengen, die ihr verabreicht wurden, mussten also wirklich sehr klein sein.Das war alles, was er ihnen sagen konnte, aber er versprach den beiden täglich, um die Mittagszeit vorbei zu kommen, um nach Mirana zu sehen.
Auf dem Rückweg zu seinem Quartier bedauerte es der Feldscher sehr, dass er nur ein einfacher Arzt war, der lediglich mit seinen Händen und seinem geringen Wissen seine Arbeit tat, und keiner der legendären Heiler der alten Zeit, welche in der Lage gewesen waren, allein Kraft ihres Geistes, Krankheiten und Verwundungen zu heilen. Damals hatte die Heilung auf ganz anderen Prinzipien als heute beruht und es hatte, wenn man den alten Berichten Glauben schenkte, kaum Krankheiten gegeben, die nicht geheilt werden konnten.
Die folgenden drei Tage vergingen, ohne dass im Zustand der Kleinen irgendwelche positive Veränderungen eintraten. Ganz im Gegenteil; man konnte deutlich sehen, dass sie von Tag zu Tag schwächer wurde. Maramba, Lars und Menno betreuten Mirana tagsüber. Die Nachtwachen teilten sich Ragnor, Ansgar und Lamar. Insbesondere Ansgar nahm sehr großen Anteil am Schicksal der Kleinen, die ihm inzwischen sehr nahe stand, denn er hatte Mirana, während ihrer kurzen Bekanntschaft, fester in sein Herz geschlossen, als er je vermutet hatte. Der tägliche Unterricht wurde für die drei Freunde zur Qual, denn sie konnten es kaum erwarten, am Abend zu ihrer Patientin zurückzukehren.
Hierbei fiel es insbesondere Ragnor schwer, dass er jeden Abend gegen Mitternacht, für mindestens eine Stunde, meist allein, in das Gasthaus zum 'Eber' gehen musste, wie er es mit Rurig abgesprochen hatte, um nach dämonisierten Neuankömmlingen Ausschau zu halten. Er saß jedes Mal unruhig über seinem Bier und versuchte sich zu konzentrieren, obwohl sich absolut nichts ereignete, was auf dämonisierte Saboteure hinwies. Andererseits war er innerlich, während er so da saß, bis zum Äußersten gereizt. Das führte in der Nacht des Amafestes sogar dazu, dass er sich einmal mit Fuhrleuten prügelte, von denen einer ihn angepöbelt hatte. Ein angetrunkener stiernackiger Fuhrmann hatte ihn, als er hinüber zur Bar ging, um sich ein weiteres Bier zu holen, rüde angerempelt und aufs Übelste beschimpft. Ragnor verdrosch ihn und zwei seiner Kollegen, die sich einmischten, als ob er von Sinnen wäre und hörte erst auf, als die drei regungslos am Boden lagen, ohne dass er, dank seiner überlegenen Kampfkunst, selbst viel abbekommen hatte. Dann stand er einen Moment fassungslos über seinen bewusstlosen Gegnern, als der Kampfrausch abgeebbt war. Der Beifall der anwesenden Gäste, welche den Kampf gespannt verfolgt hatten, erschien ihm schal und sinnlos. Nachdem er seine Gegner untersucht hatte, stellte er erleichtert fest, dass alle drei noch lebten und offenbar nicht ernsthaft verletzt worden waren. Immer noch, wie betäubt, gab er dem Wirt Geld, damit er sich um die drei Fuhrleute kümmerte und schlich dann, von Selbstvorwürfen geplagt, zurück zur Burg. Zum wiederholten Mal verfluchte er seinen unberechenbaren Jähzorn, den er wieder einmal nicht
Weitere Kostenlose Bücher