Der Weg nach Kaarborg: Ragnor Band 2 (German Edition)
stimmte nach Prüfung des Geleitbriefes ebenfalls zu, und so kehrten sie von ihrer recht beschwerlichen Ausweichroute auf die bequemere Handelsstraße entlang der Mors zurück.
Auf ihrem Weg nach Ahrweiler, der nächsten größeren Stadt an der Mors, die weitere einundzwanzig Tage dauerte, kamen sie durch einige kleinere Dörfer und Weiler und passierten eine Reihe der berüchtigten Fronhöfe der Ahrborger.
Im Unterschied zu Niewborg und Kaarborg, wo es keine Leibeigenschaft gab, da die Landesherren dort Wert auf wehrfähige zufriedene Bauern legten, regierte in Ahrborg ein rigoroses Steuersystem, welches in den letzten zehn Jahren nahezu alle freien Bauern und ihre Angehörigen in die Leibeigenschaft getrieben hatte. Nach der Übernahme durch den Baron wurden die ehemals freien Höfe in Fronhöfe umgewandelt, denen je ein Fronvogt mit zwei bis fünf Söldnern als Wachpersonal vorstand. Die ehemaligen Besitzer und ihre Familien arbeiteten in der Regel als Leibeigene, meist unter elenden Bedingungen, fast wie Sklaven, auf ihrem ehemaligen Besitz. Dabei waren ihre Löhne, die offiziell zur Tilgung ihrer Steuerschuld sofort wieder an den Baron abgeführt wurden, so niedrig angesetzt, dass es keine Chance für sie gab, jemals wieder der Leibeigenschaft zu entrinnen, da die hohen Zinsen und die unverschämten Verrechnungssätze für Nahrung und Unterkunft ihre Schuld beständig wachsen ließen.
Ragnor war entsetzt über das, was er auf diesem Reiseabschnitt alles zu sehen bekam und eine unbändige Wut auf diese Unterdrücker baute sich in ihm auf. Er hatte noch niemals so viel Elend gesehen. Die vereinzelten Dörfer und Fronhöfe waren ungepflegt und begannen teilweise sogar, bereits zu verfallen. Die Leibeigenen waren zumeist in Lumpen gekleidet und durchweg schlecht ernährt. Besonders die Kinder, die manchmal am Straßenrand bettelten, rührten das Herz des Jungen, sodass er immer wieder Brotstücke aus ihrem Vorrat verteilte, da er ihr Elend nicht mit ansehen konnte.
Menno musste ihn einige Male zurückhalten, nicht zum Schwert zu greifen, wenn auf einem der Felder, die an der Straße lagen, ein wohlgenährter Söldner wieder einmal einen der Leibeigenen mit der Peitsche misshandelte. Er erklärte ihm, dass sie, neben der Tatsache, dass sie es sich nicht leisten konnten in Ahrborg aufzufallen, auch keinerlei rechtliche Handhabe hatten, anhand derer sie einen Leibeigenen vor seinen Peinigern hätten schützen können.In diesem Punkt war die Rechtsprechung von Caer eben eine typische Feudalordnung, die den Freien alle und den Unfreien keinerlei Rechte zubilligte. Die einzige Möglichkeit, diesen Zustand zu ändern, wäre gewesen, Ahrborg zu erobern und den Baron abzusetzen. Theoretisch konnte zwar auch der König einem Baron oder Grafen sein Lehen entziehen aber das würde, bei den momentanen Machtverhältnissen, umgehend auf einen Bürgerkrieg hinauslaufen. Und den versuchte der König momentan, mit allen Mitteln, zu verhindern.
Die Reisenden verzichteten aufgrund dieser Vorkommnisse völlig darauf, ein Nachtlager in einem der Fronhöfe zu fordern, wozu sie ihr Geleitbrief berechtigt hätte. Sie übernachteten lieber in ihren Zelten. Lediglich in den kleinen Dörfern und Weilern, entlang der Handelsstraße, pflegten sie in den dortigen Gasthöfen zu einzukehren.
Dort spielte sich dann jedes Mal das gleiche Ritual ab, welches das Verhältnis des Barons von Ahrborg zu seinen Untertanen exemplarisch widerspiegelte. Nach dem Vorzeigen des Geleitbriefes wurden sie unter vielen kriecherischen Bücklingen in den besten Zimmern einquartiert und immer bestens bewirtet. Die Wirtsleute und ihre Bediensteten sprachen dabei nur, wenn sie aufgefordert wurden, etwas zu sagen, oder auf eine Frage antworten mussten. Bei allem, was sie taten und sagten, stand ihnen stets die Angst ins Gesicht geschrieben, und die Erwartung beim geringsten Fehler sofort bestraft zu werden. Diese Atmosphäre änderte sich immer erst dann, wenn Lars am nächsten Morgen zur großen Überraschung der Wirtsleute, die es gewohnt waren, außer Hieben nichts von solchen 'Herrschaften' zu bekommen, für Kost und Logis bezahlte. Für Ragnor war es unfassbar, dass Menschen, die nur erhielten, was ihnen von Rechts wegen zustand, so überrascht und dankbar sein konnten.
Das elende Leben, das selbst die Freien in Ahrborg führten, ergrimmte Ragnor über alle Maßen, und er nahm sich vor, wenn sich einmal die Möglichkeit böte, daran etwas zu ändern, würde er
Weitere Kostenlose Bücher