Der Weg nach Kaarborg: Ragnor Band 2 (German Edition)
mit Freuden daran mitwirken, dass dieser Blutsauger von Baron seine Ländereien verlor. Er wünschte sich dabei fast, dass er in das Komplott um den Tod von Rurigs Bruder verwickelt war, denn dann würden ihm die Kaarborger kräftig einheizen. Diesen Gedanken und die Möglichkeiten zu seiner Verwirklichung in einer vielleicht gar nicht so fernen Zukunft, gingen ihm vor allem immer dann im Kopf herum, wenn er auf Nachtwache war, weil sie wieder mal ein im Zelt übernachteten, um nicht einen dieser schrecklichen Fronhöfe betreten zu müssen. Ragnor schlief zwar nachts auch lieber, als dass er Wache schob, aber wenn er erst unter dem klaren Frühsommerhimmel auf seinem Posten war, genoss er die Stille der Nacht und das Funkeln der Sterne. Irgendwie hatte er manchmal den Eindruck, als ob ihm die Natur, die ihn umgab, Kraft spendete, wenn er so ruhig auf seinen durchweg ereignislosen Wachen saß. Er konnte diese Kraft nicht mit Worten beschreiben, und doch schien sie allem Leben irgendwie innezuwohnen, sei es Tier oder Pflanze. Insbesondere wenn er ganz ruhig da saß und sich entspannte, meinte er manchmal fast so etwas wie ein leichtes Kribbeln zu spüren, wenn die Energie in ihn floss.
Seit sie durch Ahrborg zogen, hatte Ragnor überdies seine abendlichen Schwertmeditationen verstärkt, um seine Wut auf die Menschenschinder unter Kontrolle zu halten, denn er hatte in letzter Zeit mit einigem Entsetzen gemerkt, dass er zu unkontrolliertem Jähzorn neigte, wenn er all das Elend mit ansehen musste. Meist versenkte er sich eine Stunde oder mehr, wenn seine Wache vorüber war, in seine Waffe und ließ seinen Geist die Kristallpyramide Auf und Ab laufen, bis die Anspannung wich, und er ruhig einschlafen konnte. Auf diese Art und Weise gelang es ihm, die Bilder des Elends und der Grausamkeiten zeitweise zu verdrängen, denn trotz der schlüssigen Erklärungen von Menno und Lars, dass er sich nicht einmischen durfte, schrie sein jugendlicher Gerechtigkeitssinn danach, den Misshandelten beizustehen. Dabei half es ihm wenig, dass ihm Menno, der viel gereist war, erklärt hatte, dass das richtige Leben leider wenig mit dem Ideal einer gerechten Gesellschaft zu tun hatte, die die Basis für die moralische Erziehung des Jungen gewesen war.
Es galt fast überall in Makar, wo Menno je gewesen war, das Recht der jeweils Herrschenden. Die Würde und die Rechte des Einzelnen hatten dabei höchstens in der Oberschicht eines Staates eine gewisse Bedeutung, welche aber auch dort, vom jeweils Stärkeren, häufig bedenkenlos ignoriert wurde, wenn es dadurch irgendeinen Vorteil zu erringen galt.
An einem ihrer letzten Abende im Ahrwald, als sie in dem heruntergekommenen Gasthaus eines kleinen Dorfes übernachteten, passierte dann wieder einmal etwas, das dem Jungen eine neue Facette der Macht der Quasarmagie erleben ließ und ihm die Risiken seines Jähzorns drastisch vor Augen führte.
Dieser kleine Gasthof war ein riedgedecktes, ungepflegtes Gebäude, welches sich an den Rand eines Fichtenwäldchens duckte. Gerade so als ob es sich seines schäbigen Äußeren schämen würde, und auch die Dornbüsche vor den wackeligen, ausgetretenen Stufen, welche zu seiner verwitterten Eingangstüre hinaufführten, zeugten davon, dass sich hier niemand darum scherte potentiellen Gästen einen freundlichen Empfang zu bereiten.
Sie hatten gerade ihre Mahlzeit beendet, als etwa zwanzig Söldner, die wahrscheinlich von den Fronhöfen der Umgebung kamen, lärmend, und offensichtlich bereits leicht angetrunken, das Gasthaus betraten.Einer der Männer ein stiernackiger, brutal aussehender, dunkelhaariger Mann, belästigte, kaum dass er die Taverne betreten hatte, das schmächtige Mädchen, welches die Söldner zu bedienen hatte. Der Junge wusste nicht, wie alt sie war, aber sie war erst schwach entwickelt, also eigentlich noch ein Kind und wohl kaum mehr als elf Jahre alt. Stets, wenn sie herangerufen wurde, griff er ihr entweder an die kleine Brust oder unter den Rock. Sie zuckte jedes Mal zusammen, ertrug es aber, ohne einen Laut von sich zu geben. Nur in ihren großen Kinderaugen war die Angst zu erkennen, die sie quälte, wenn sie zu den Söldnern hinüber gehen musste, um ihnen die nächste Lage volle Bierkrüge zu bringen.
Ragnor, der in direktem Blickkontakt zu den Kerlen etwa fünf Schritt entfernt saß, verfolgte die Szene mit wachsendem Grimm, und war einige Male nahe daran sich zu erheben, um einzuschreiten. Lars, der das bemerkt hatte, ergriff
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