Der Weg Nach Tanelorn
rief er. »Diesmal wirst du sterben!«
Ilian versuchte, seinen Hieb zu parieren, aber so groß war Ymryls Kraft jetzt, dass ihr eigenes Schwert zurückgeschlagen wurde, dass es gegen ihren eigenen Körper drückte. Sie stolperte rückwärts und war kaum imstande, Ymryls nächsten Schlag abzuwehren. Sie kämpfte mit hoffnungsloser Wildheit und wusste, dass sie Jeden Augenblick unter Ymryls Klinge fallen würde.
Hinter Ymryl war Arioch zu ungeheurer Größe angeschwollen. Sein Körper wuchs weiter und immer weiter, doch er schien dabei mehr und mehr an Substanz zu verlieren. Sein Gesicht veränderte sich jede Sekunde, und sie hörte seine Stimme schwach rufen:
»Das Gleichgewicht! Das Gleichgewicht! Es schwankt! Es krümmt sich. Es zerrinnt! Es ist der Untergang der Götter! O diese nichtswürdigen Kreaturen – diese Menschen …«
Und dann war Arioch verschwunden. Doch Ymryl war geblieben, ein Ymryl voll von Ariochs schrecklicher Macht.
Ilian zog sich unter dem Hagel von Hieben immer weiter zurück. Ihre Arme schmerzten. Ihre Beine und ihr Rücken schmerzten. Sie hatte Angst. Sie wollte nicht von Ymryl getötet werden.
Von irgendwoher hörte sie einen anderen Laut. War es ein Triumphgeschrei? Bedeutete es, dass alle ihre Kameraden tot waren? Dass Ymryls Soldaten jeden einzelnen von ihnen getötet hatten?
War sie die letzte von Garathorm?
Sie fiel zurück, als Ymryl ihr mit einem mächtigen Hieb das Schwert aus der Hand schlug. Und mit einem weiteren zerschmetterte er ihren Schild. Und nun zog Ymryl den Arm zurück für den Todesstoß.
4. Das Seelenjuwel
Ilian versuchte, Ymryl in die Augen zu blicken, als sie starb – in jene Augen, die nicht länger seine eigenen, sondern Ariochs waren.
Doch da erlosch das Licht in ihnen, und Ymryl schaute sich verwundert um. Sie hörte, wie er sagte:
»Dann ist es also vorbei? Wir dürfen heim?«
Er schien etwas zu sehen, das sich nicht auf Garathorm befand. Und er lächelte.
Ilian griff nach ihrem Schwert am Boden. Mit aller Kraft stieß sie es hoch. Sie sah das Blut aus Ymryls Wunde schießen, und noch erstaunter, während er allmählich im Nichts verschwand, genau wie Arioch vor ihm.
Verwirrt taumelte sie nun hoch. Sie wusste nicht, ob sie Ymryl getötet hatte oder nicht. Sie würde es auch nie erfahren.
Katinka van Bak lag ganz in der Nähe. Sie hatte eine große blutende Wunde in der Brust. Ihr Gesicht war weiß, als befände sich kein Tropfen Blut mehr in ihrem Körper. Sie röchelte. Als sie Ilian erkannte, sagte sie keuchend:
»Ich hörte die Geschichte von Falkenmonds Schwert. Schwert der Morgenröte wurde es genannt. Es konnte Krieger aus einer anderen Ebene, einer anderen Zeit herbeirufen. Wäre es nicht möglich, dass ein anderes Schwert Ymryl zu sich geholt hat?« Sie wusste wohl kaum selbst, was sie sagte.
Jhary-a-Conel, gestützt von Yisselda von Brass, hinkte aus dem Schlachtenstaub. Sein Bein war aufgeschlitzt, doch glücklicherweise schien es keine sehr ernste Wunde.
»So habt Ihr uns also doch gerettet, Ilian«, sagte er. »Wie es der Ewige Held auch sollte und doch nicht immer tut.« Er grinste.
»Ich euch – uns – gerettet? Nein, ich kann es mir selbst nicht erklären. Ymryl verschwand einfach!«
»Ihr habt Kalan getötet. Kalan war es, der die Umstände schuf, die es Ymryl und den anderen ermöglichten, nach Garathorm zu kommen. Mit Kalans Tod begann der Riss im Multiversum sich wieder zu schließen. Und indem es sich selbst heilte, mussten Ymryl und alle, die ihm dienten, in ihre eigenen Welten zurückkehren. Ich bin sicher, dass es so geschah. Die Zeiten sind sehr ungewöhnlich, Ilian von Garathorm, fast so unverständlich für mich, wie sie es für Euch sind. Ich bin daran gewöhnt, dass die Götter ihren Willen durchsetzen – aber Arioch, ich glaube, hat sein Ende gefunden. Ich frage mich, ob die Götter auf allen Ebenen sterben?«
»Auf Garathorm hat es nie Götter gegeben«, versicherte ihm Ilian. Sie bückte sich über Katinka van Bak, um ihre Wunde zu versorgen. Sie hoffte nur, dass sie nicht wirklich so schlimm war, wie sie aussah. Aber ihre Hoffnung schien sich nicht erfüllen zu wollen. Katinka lag zweifellos im Sterben.
»Dann sind sie also alle fort?« fragte Yisselda, ohne dass ihr offenbar bewusst wurde, wie schwer verletzt Katinka van Bak war.
»Alle – einschließlich der Leichen«, erwiderte Jhary. Er suchte nach etwas in dem Beutel, der von seinem Gürtel hing. Dann brachte er ein Fläschchen zum
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