Der Weg Nach Tanelorn
Reittieren um.
»Aber weshalb bin ich dann noch in dieser Welt?« fragte Yisselda verwundert. »Hätte ich nicht in die› zurückkehren müssen, wo Kalan mich gefangen gehalten hatte?«
»Ihr spürt nichts? Nichts, das Euch von hier wegzuziehen versucht?«
»Nein, nichts, gar nichts.«
Impulsiv küsste Ilian Yisselda leicht auf die Wange. »Lebt wohl«, murmelte sie.
Yisselda sah sie überrascht an. »Kommt Ihr denn nicht mit uns in die Höhle?«
»Doch, ich komme mit. Aber ich musste ganz einfach jetzt Lebewohl sagen. Ich weiß selbst nicht, weshalb.«
Ilian spürte ein wunderbares Gefühl inneren Friedens. Sie berührte das Schwarze Juwel in ihrem Gürtelbeutel und lächelte.
Jhary erwartete sie am Höhleneingang. Er schien noch schwächer zu sein als zuvor. Seine kleine schwarz-weiße Katze hielt er an seine Brust gedrückt.
»Ah!« murmelte er erleichtert. »Ich hatte schon Angst, ich würde bei eurer Ankunft nicht mehr hier sein.«
Lyfeth von Ghant und Mysenal von Hinn hatten darauf bestanden, Katinka van Baks Bahre selbst zu tragen. Sie wollten damit gerade die Höhle betreten, als Jhary sie aufhielt. »Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich muss euch jetzt bitten, hier zu warten. Sollte Ilian nicht zurückkehren, müsst Ihr einen neuen Herrscher wählen.«
»Einen neuen Herrscher? Was beabsichtigt Ihr mit ihr zu tun?« Mysenal legte die Hand um den Schwertgriff. »Wer kann ihr in der Höhle etwas tun?«
»Niemand wird ihr etwas antun. Aber Kalans Juwel hält immer noch ihre Seele gefangen …« Jhary lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Er keuchte und schüttelte den Kopf. »Ich kann es euch jetzt nicht erklären. Aber seid versichert, dass ich eure Königin beschützen werde …«
Er folgte Yisselda und Ilian, die jetzt Katinka van Baks Bahre trugen.
Ilian war erstaunt, wie tief die Höhle war. Endlos schien sie in den Berg hineinzuführen, und je weiter sie kamen, desto kälter wurde es. Aber sie sagte nichts, denn sie vertraute Jhary-a-Conel.
Sie drehte sich nur einmal um, als sie Mysenals Stimme ihr aufgeregt nachrufen hörte: »Wir wissen nun, dass Ihr keine Schuld habt, Ilian. Ihr konntet nicht anders …«
Und sie wunderte sich über den Ton seiner Stimme, und weshalb er es plötzlich so eilig hatte, ihr das zu sagen. Nicht, dass es ihr viel bedeutete, denn sie kannte ihre Schuld, war sich ihrer nur zu sehr bewusst, gleichgültig, was die anderen dachten.
Katinka van Bak fragte mit schwacher Stimme: »War es nicht hier, Jhary-a-Conel?«
Jhary nickte. Als es ‚immer dunkler geworden war, je tiefer sie in den Berg eindrangen, hatte er von irgendwoher plötzlich eine merkwürdige Kugel zum Vorschein gebracht – eine Kugel, die von innen heraus glühte. Er setzte sie jetzt auf dem Boden ab. Ilian holte erschrocken Luft. Neben der Kugel lag die Leiche eines hochgewachsenen, gutaussehenden Mannes, der dick in Pelz gehüllt war. Soweit sie sehen konnte, wies sein Körper keine Wunde auf, auch sonst gab es keine Anzeichen, woran er gestorben sein mochte. Und sein Gesicht erinnerte sie an jemanden. Sie schloss die Augen. »Falkenmond …«, murmelte sie. »Mein Name …«
Yisselda schluchzte, als sie sich neben die Leiche kniete.
»Dorian! Mein Liebster! Mein Liebster!« Sie blickte Jhary-a-Conel an. »Weshalb habt Ihr mich nicht darauf vorbereitet?«
Jhary kümmerte sich nicht um sie, sondern drehte sich zu Ilian zu, die benommen an der Wand lehnte. »Gebt mir das Juwel«, bat er sie. »Das Schwarze Juwel, Ilian. Gebt es mir, schnell!«
Als Ilian in ihrem Gürtelbeutel danach tastete, berührten ihre Finger erstaunlicherweise etwas Warmes, Vibrierendes.
»Der Stein – lebt!« rief sie. »Er lebt!«
»Ja. Beeilt Euch!« drängte Jhary mit kaum noch verständlicher Stimme. »Kniet Euch neben ihn …«
»Neben die Leiche?« Ilian wich ekelerfüllt zurück.
»Tut, worum ich Euch bitte!« Jhary sammelte seine letzten Kräfte und zerrte Yisselda von Falkenmonds Körper weg, und befahl Ilian, sich daneben zu knien. Voll Abscheu gehorchte sie.
»Jetzt drückt das Juwel auf die Stirn – genau dort, wo Ihr die Narbe seht!«
Mit zitternden Fingern tat sie es.
»Und nun legt Eure eigene Stirn auf den Stein!«
Sie biss die Zähne zusammen und beugte sich über die Leiche, bis ihre Stirn das pulsierende Juwel berührte. Und plötzlich fiel sie in diesen Stein und durch ihn hindurch. Und während dieses Sturzes fiel ihr jemand entgegen. Es war, als eile sie auf ihr
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