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Der Weg Nach Tanelorn

Der Weg Nach Tanelorn

Titel: Der Weg Nach Tanelorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Londra. Sie kämpfte heldenhaft, ehe …«
    »Aber die Kinder – die Kinder …« Falkenmond versuchte, sich an ihre Namen zu erinnern. »Wie hießen sie nur? Ich – ich kann mich einfach nicht mehr entsinnen …«
    Graf Brass seufzte tief und legte seine behandschuhten Finger auf Falkenmonds Schulter. »Ihr habt auch immer von Kindern gesprochen. Aber es gab keine. Wie wäre das auch möglich gewesen?«
    »Keine Kinder?«
    Falkenmond fühlte eine entsetzliche Leere in sich. Er bemühte sich, sich an etwas zu erinnern, das er erst vor kurzem gesagt hatte. Ich würde alles dafür geben, wenn Graf Brass wieder lebte.
    Und nun lebte Graf Brass wieder, doch dafür waren seine große Liebe, seine bezaubernde Yisselda und seine Kinder im Nichts verschwunden – es hatte sie in den fünf Jahren seit der Schlacht von Londra überhaupt nicht gegeben!
    »Ihr scheint mir heute ein wenig vernünftiger zu sein«, sagte Graf Brass. »Ich hoffte schon immer, dass Euer Gehirn wieder gesund würde. Vielleicht ist es jetzt geheilt?«
    »Geheilt?« Welch Hohn! Falkenmond drehte sich um und sah seinen alten Freund an. »Haben alle in Burg Brass – in der ganzen Kamarg – mich für verrückt gehalten?«
    »Verrückt ist sicher nicht der richtige Ausdruck«, erwiderte Graf Brass. »Ihr befandet Euch in einer Art Trance, als sähet Ihr die Dinge ein wenig anders, als sie wirklich waren … Ja, besser kann ich es eigentlich nicht beschreiben. Wäre Bowgentle hier, er könnte es gewiss. Bestimmt hätte er Euch mehr als jeder von uns helfen können.« Der Graf in der Messingrüstung schüttelte den rothaarigen Kopf. »Ich weiß es nicht, Falkenmond.«
    »Und jetzt ist mein Geist wieder gesund«, murmelte Falkenmond bitter.
    »Es sieht so aus.«
    »Dann war mein Wahnsinn vielleicht dieser Wirklichkeit vorzuziehen.« Falkenmond schritt müde zur Treppe. »Wie schwer das zu ertragen ist!«
    Es konnte doch sicher nur ein schrecklicher Traum sein? Gewiss hatte Yisselda, hatten die Kinder gelebt?
    Aber bereits jetzt schwanden die Erinnerungen, wie ein Traum sich nach dem Erwachen verliert. Am Fuß des Treppenaufgangs drehte er sich noch einmal zu Graf Brass um, der mit gesenktem Kopf in das Feuer starrte.
    »Wir leben – Ihr und ich. Und unsere Freunde sind tot. Eure Tochter ist tot. Ihr habt recht, Graf Brass, wir haben viel verloren in der Schlacht von Londra – auch Eure Enkel.«
    »Ja«, murmelte Graf Brass kaum hörbar. »Die Zukunft ging verloren, könnte man sagen.«

 
Epilog
     
    Fast sieben Jahre waren seit der großen Schlacht von Londra vergangen, in der die Macht des Dunklen Imperiums gebrochen worden war. Und viel hatte sich in diesen sieben Jahren getan. Fünf von ihnen hatte Dorian Falkenmond, Herzog von Köln, unter Wahnsinn gelitten. Selbst jetzt noch, zwei Jahre nach seiner Heilung, war er nicht der gleiche, der so voll Mut dem Runenstab gedient hatte. Er war jetzt von grimmigem Charakter, in sich zurückgezogen und einsam. Nicht einmal sein alter Freund, Graf Brass, außer ihm noch der einzige Überlebende der Schlacht, verstand ihn noch.
    »Der Verlust seiner Freunde – und seiner geliebten Frau ist daran schuld«, raunten sich die Bürger des wiederaufgebauten Aigues-Mortes zu. Und sie bedauerten Dorian Falkenmond, wenn er allein durch die Stadt, hinaus zum Tor und über die weiten Marschen ritt, wo die großen scharlachroten Flamingos über seinem Kopf kreisten, und die weißen Stiere dahingaloppierten.
    Und Falkenmond ritt gewöhnlich zu einem niedrigen Hügel, der sich mitten aus der Marsch erhob. Dort stieg er von seinem Pferd und führte es hoch zu der Ruine einer uralten Kirche, die lange vor Beginn des Tragischen Jahrtausends erbaut worden war.
    Und dann versuchte er einen Traum zurückzurufen.
    Den Traum von Yisselda und seinen zwei Kindern, an deren Namen er sich einfach nicht entsinnen konnte. Hatten sie in seinem Traum überhaupt je Namen gehabt?
    Ein törichter Traum war es gewesen – ein Traum von den Dingen, die hätten sein können, wenn Yisselda in der Schlacht von Londra nicht gefallen wäre.
    Und manchmal, wenn die Sonne am Horizont der weiten Marschen unterging oder ein sanfter Regen sich über die Lagunen senkte, stand er hoch oben auf der Ruine und hob seine Arme den Wolken entgegen, die über den sich verdunkelnden Himmel segelten, und schrie ihren Namen in den Wind.
    »Yisselda! Yisselda!«
    Dann nahmen die Vögel, die mit dem Wind zogen, diesen Ruf auf.
    »Yisselda!«
     
    Eine Weile später

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