Der Weg Nach Tanelorn
sagte Graf Brass sanft. »Wir bringen Euch in die Burg zurück.«
Falkenmond fühlte sich von den kräftigen Armen hochgehoben und zu einem wartenden Pferd getragen.
»Könnt Ihr ohne Hilfe reiten?« fragte der Graf.
»Ja’.« Falkenmond kletterte in den Sattel des gehörnten Hengstes und richtete sich auf, aber er schwankte noch ein wenig, als seine Füße nach den Steigbügeln tasteten. Er lächelte. »Seid Ihr noch ein Geist, Graf Brass? Oder seid Ihr nun wahrhaftig dem Leben wiedergegeben? Ich sagte, ich würde alles tun, wenn wir Euch zurück hätten.«
»Dem Leben wiedergegeben? Ihr solltet doch wirklich wissen, dass ich nicht tot bin!« Graf Brass lachte schallend. »Waren es diese alten Ängste, die Euch durch den Kopf spukten, Falkenmond?«
»Ihr seid nicht in Londra gefallen?«
»Dank Euch, nein. Ihr habt mir das Leben gerettet. Hätte dieser Ziegenreiter mich mit der Lanze erwischt, wäre ich jetzt gewiss tot.«
Falkenmond lächelte schwach. »Also können die Ereignisse verändert werden, und ohne Nachwirkungen offenbar. Aber wo sind jetzt Kalan und Taragorm? Und die anderen?« Er wandte sich an Graf Brass, während sie nebeneinander über den alten Marschpfad ritten. »Und Bowgentle, und Oladahn, und d’Averc?«
Graf Brass runzelte die Stirn. »Seit fünf Jahren tot. Erinnert Ihr Euch denn nicht?« Er räusperte sich. »Wir haben im Dienst des Runenstabs viel verloren. Ihr Eure geistige Gesundheit.«
»Meine geistige Gesundheit?«
Die Lichter Aigues-Mortes kamen in Sicht. Falkenmond konnte bereits die Umrisse von Burg Brass auf dem Hügel sehen.
Wieder räusperte sich Graf Brass. Falkenmond starrte ihn an. »Meine geistige Gesundheit?«
»Ich hätte es nicht erwähnen sollen. Wir sind bald zu Hause.« Graf Brass wich seinem Blick aus.
Sie ritten durch das Stadttor und die gewundenen Straßen und Gässchen. Einige der Krieger verabschiedeten sich, als sie der Straße zur Burg nahe kamen, denn sie hatten ihre Quartiere in der Stadt.
»Gute Nacht!« rief ihnen Hauptmann Vedla noch zu.
Bald blieben nur Graf Brass und Falkenmond übrig. Sie erreichten den Burghof und schwangen sich von ihren Pferden.
Die große Halle sah nicht viel anders aus, als Falkenmond sie zum letzten Mal gesehen hatte. Aber irgendwie schien es ihm, als fehle etwas.
»Schläft Yisselda schon?« fragte er.
»Ja«, murmelte Graf Brass düster. »Sie schläft.«
Falkenmond betrachtete seine schlammbeschmutzte Kleidung. Nicht länger trug er die Rüstung. »Ich nehme wohl am besten ein Bad und gehe dann ebenfalls zu Bett«, murmelte er. Er blickte Graf Brass lächelnd an. »Ich bildete mir ein, Ihr wärt in der Schlacht von Londra gefallen.«
»Ja«, erwiderte Graf Brass besorgt. »Ich weiß. Aber Ihr seid Euch doch jetzt klar, dass ich kein Geist bin?«
»Ja, natürlich.« Falkenmond lachte glücklich. »Kalans Plan diente uns besser als ihm selbst.«
Graf Brass runzelte die Stirn. »Wenn Ihr meint«, murmelte er unsicher, denn er wusste nicht, wovon Falkenmond sprach.
»Und doch entkam er«, fuhr Falkenmond fort. »Er könnte uns erneut Schwierigkeiten bereiten.«
»Er entkam? Aber nein. Er beging Selbstmord, nachdem er das Juwel aus Eurem Kopf entfernte. Deshalb auch Eure manchmal wirren Gedanken.«
Plötzlich erfüllte Falkenmond Furcht.
»Ihr erinnert Euch demnach nicht mehr an unser letztes Abenteuer?« fragte er. Er stellte sich neben Graf Brass, der sich am Kaminfeuer wärmte.
»Abenteuer? Meint Ihr die Marsch? Ihr seid wie in Trance davongeritten, nachdem Ihr etwas gemurmelt habt, dass ich dort draußen spuke. Vedla sah, wie Ihr aufgebrochen seid, und kam hierher, um es mir zu berichten. Deshalb ritten wir Euch nach, und es gelang uns glücklicherweise auch, Euch zu finden, ehe Ihr ganz im Sumpf versankt …«
Falkenmond starrte Graf Brass wie gelähmt an, dann drehte er sich um. Hatte er den Rest nur geträumt? War sein Geist wahrhaftig verwirrt gewesen?
»Wie – wie lange ist es her, dass ich mich in dieser Trance, wie Ihr sagt, befunden habe, Graf Brass?«
»Nun, seit Londra. Ihr schient anfangs, nach der Entfernung des Juwels, völlig vernünftig zu sein. Aber dann spracht Ihr von Yisselda, als lebte sie noch. Und Ihr erwähntet andere, die Ihr für tot hieltet – mich, beispielsweise. Es ist natürlich nicht erstaunlich, da Ihr ja so viel mitgemacht habt, denn das Juwel war …«
»Yisselda!« schrie Falkenmond erschrocken. »Ihr sagt, sie sei tot?«
. »Ja – sie fiel in der Schlacht von
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