Der Weg Nach Tanelorn
Flana (jetzt die sanftmütige Königin von Granbretanien).
Infanterie, Kavallerie und Flieger des Dunklen Imperiums standen den Hütern der Kamarg, den Kriegern der Morgenröte und Soldaten von hundert kleinen Nationen gegenüber.
Und Dorian Falkenmond bewegte alle diese winzigen Gestalten über seine riesigen Tische, und probierte mit ihnen tausend Variationen ein und derselben Schlacht aus, um festzustellen, wie ihr Ausgang sich auf die nächste Schlacht ausgewirkt hatte. Oft ruhten seine Finger auch auf den Figuren seiner toten Freunde, am häufigsten auf Yisselda. Wie hätte er sie retten können? Welche Kette von Umständen hätte ihr ein Weiterleben garantiert?
Manchmal betrat Graf Brass mit besorgtem Blick den Raum. Er strich sich durch das ergrauende rote Haar und beobachtete Falkenmond, wie er, in seine Miniaturwelt vertieft, hier eine Schwadron Kavallerie vorrückte und dort eine Infanterieeinheit zurückzog. Falkenmond bemerkte entweder Graf Brass’ Anwesenheit nicht, oder er zog es vor, seinen alten Freund zu ignorieren, bis dieser sich räusperte, um auf seine Gegenwart aufmerksam zu machen. Dann sah Falkenmond mit nach innen gerichtetem Blick und ohne Freude über Graf Brass’ Besuch hoch. Woraufhin Graf Brass sich nach seinem Befinden erkundigte und Falkenmond kurz erwiderte, dass es ihm gut ginge. Daraufhin nickte Graf Brass und sagte, das freue ihn. Falkenmond wartete dann ungeduldig darauf, zu seinem Manöver zurückkehren zu können, während Graf Brass sich im Zimmer umsah und vielleicht eine Schlachtaufstellung betrachtete und eine bestimmte Taktik Falkenmonds bewunderte.
Dann sagte Graf Brass: »Ich reite heute morgen zu einer Inspektionstour der Türme. Es ist ein herrlicher Tag. Begleitet mich doch, Dorian.«
Aber fast immer schüttelte Falkenmond den Kopf und erklärte: »Ich habe so viel zu tun.«
»Das hier?« fragte Graf Brass und deutete mit weit ausholender Gebärde auf die Modelltische. »Wozu soll es gut sein? Der Krieg ist vorbei. Sie sind tot. Können Eure Überlegungen und Strategien sie zurückbringen? Ihr seid wie ein Mystiker – ein Zauberer –, der glaubt, durch Manipulationen der Bildnisse könnten auch die manipuliert werden, die sie darstellen. Ihr quält Euch nur. Wie könntet Ihr die Vergangenheit ändern? Vergesst es! Vergesst es, Herzog Dorian.«
Aber der Herzog von Köln runzelte die Stirn, als habe Graf Brass eine besonders beleidigende Bemerkung gemacht, und wandte seine volle Aufmerksamkeit wieder seinem Spielzeug zu. Dann seufzte Graf Brass, murmelte ein paar freundliche Worte und verließ das Zimmer.
Falkenmonds Schwermut verdüsterte die Atmosphäre der ganzen Burg, und es wurden bereits Stimmen laut, die vorschlugen, der Herzog solle doch, auch wenn er ein Held von Londra war, nach Germania und zu seinen Stammländern zurückkehren, die er seit seiner Gefangennahme durch die Lords des Dunklen Imperiums in der Schlacht von Köln nicht mehr besucht hatte. Ein entfernter Verwandter regierte nun dort als Oberbürger und Präsident der vom Volk gewählten Regierung, die die Monarchie abgelöst hatte, von der Falkenmond der letzte lebende direkte Angehörige war. Aber Falkenmond hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass er außer seinen Gemächern in Burg Brass noch ein anderes Zuhause hatte.
Selbst Graf Brass dachte manchmal insgeheim, dass es für Falkenmond besser gewesen wäre, er hätte mit Yisselda den Tod in der Schlacht von Londra gefunden.
Und so vergingen die traurigen Monate, alle schwer von Sorgen und nutzlosen Grübeleien, während Falkenmonds Geist sich immer mehr mit seinen einzigen Gedanken an Yisselda und die Kinder befasste, bis er kaum noch Essen und Trinken zu sich nahm und selbst den Schlaf vergaß.
Graf Brass und sein alter Kriegskamerad, Hauptmann Josef Vedla, debattierten oft miteinander über dieses Problem, aber sie fanden keine Lösung. Stundenlang saßen sie sich in den bequemen Sesseln zu beiden Seiten des Kamins in der großen Halle von Burg Brass gegenüber, tranken den einheimischen Wein und diskutierten über Falkenmonds Melancholie. Beide waren Soldaten, und Graf Brass war auch einmal Staatsmann gewesen, aber beiden fehlten die Worte, sich treffend über die Krankheit der Seele auszudrücken.
»Ein bisschen mehr Bewegung würde ihm helfen«, meinte Josef Vedla eines Abends. »Der Geist geht in einem untätigen Körper allmählich zugrunde. Das ist altbekannt.«
»Ja, dessen ist sich ein gesunder Geist auch
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