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Der Weg Nach Tanelorn

Der Weg Nach Tanelorn

Titel: Der Weg Nach Tanelorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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senkte Falkenmond den Kopf und weinte. Und er fragte sich, weshalb er immer noch hoffte, trotz all der offensichtlichen Wirklichkeit, dass er eines Tages seine verlorene Liebe wieder finden würde. Weshalb glaubte er denn insgeheim, dass irgendwo – auf einer anderen Erde vielleicht – die Toten noch lebten? Gewiss war eine solche Überlegung, ja Besessenheit ein Beweis, dass immer noch etwas von diesem Wahn, dieser Krankheit in ihm steckte.
    Dann seufzte er und glättete seine Züge, damit niemand, der ihn vielleicht zufällig sah, bemerken möge, dass seine Trauer ihn übermannt hatte. Schließlich stieg er auf sein Pferd und kehrte in der Dämmerung des frühen Abends zur Burg Brass zurück, wo Graf Brass auf ihn wartete.
     
    DAMIT ENDET DIE ERSTE CHRONIK
    VON BURG BRASS



 
ERSTES BUCH
     
    Aufbruch

 
1. Grübeleien und Träumereien
     
    Nicht länger wurde Dorian Falkenmond von Wahnvorstellungen verfolgt, aber er war auch nicht völlig gesund. Manche machten dafür das Schwarze Juwel verantwortlich. Sie sagten, es habe ihn seelisch krank gemacht, als er aus seiner Stirn entfernt wurde. Andere meinten, der Krieg gegen das Dunkle Imperium hätte ihn aller Energie beraubt, die normalerweise für ein ganzes Leben hätte reichen müssen. Wieder andere schworen,’ dass nur die Trauer um Yisselda, die Tochter Graf Brass’ und sein geliebtes Weib, die in der Schlacht um Londra gefallen war, ihn verwandelt hätte. Während der fünf Jahre, die der Wahnsinn ihn umhüllte, hatte er so getan, als lebe sie mit ihm auf Burg Brass und habe ihm sogar einen Sohn und eine Tochter geboren.
    .Doch während über die Ursache in den Tavernen und Weinhäusern von Aigues-Mortes, der befestigten Stadt rings um Burg Brass, debattiert wurde, war die Wirkung offensichtlich.
    Falkenmond grübelte.
    Falkenmond härmte sich ab und mied menschliche Gesellschaft, selbst die seines guten Freundes Graf Brass. Falkenmond saß allein in einem kleinen Gemach im obersten Stockwerk des höchsten Turmes und starrte, das Kinn auf die Fäuste gestützt, hinaus über die Marschen, das sich im Winde wiegende Rohr und die Lagunen. Doch seine Augen sahen nicht die weißen Stiere, die gehörnten Rosse, oder die riesigen scharlachroten Flamingos der Kamarg, statt dessen blickten sie in eine düstere, unendliche Ferne.
    Falkenmond versuchte, einen Traum – oder vielleicht war es, auch eine Wahnvorstellung gewesen? – zurückzurufen. Er bemühte sich, sich an Yisselda zu erinnern und an die Namen der Kinder, die er sich eingebildet hatte, während der Wahnsinn seinen Geist umwölkte.
    Aber Yisselda war nur ein Schatten, und von den Kindern ließ sich nicht die geringste Erinnerung heraufbeschwören. Weshalb nur empfand er diese unbegreifliche Sehnsucht nach ihnen? Warum dieses Gefühl eines unerträglichen Verlusts? Weshalb nährte er manchmal den Gedanken, dass sein jetziges Leben es war, das der Wahnsinn zeichnete, und dass sein Traum – der Traum von Yisselda und den Kindern – die Wirklichkeit gewesen war?
    Falkenmond verstand sich selbst nicht mehr, und aus diesem Grund legte er auch keinen Wert darauf, mit anderen zusammenzukommen. Er war ein Geist, der durch seine eigenen Gemächer spukte – ein trauriger Geist, der nur seufzen und stöhnen und schluchzen konnte.
    Zumindest war er in seinem Wahnsinn stolz und aufrecht gewesen, murmelten die Bürger, und sein Leben wirklicher als jetzt.
    »Wahnsinnig war er viel glücklicher«, sagten die Leute.
    Wäre es Falkenmond zu Ohren gekommen, er hätte ihnen beigepflichtet.
    Hielt er sich nicht im Turm auf, so war er in dem Raum zu finden, in dem seine Kriegspieltische sich befanden. Hier hatte er Modelle von Städten und Burgen aufgestellt mit Miniaturfiguren. In seinem Wahnsinn hatte er dieses komplexe Spielzeug von Vaiyonn, einem einheimischen Handwerker, bestellt. Um sich immer wieder an den Siegen über die Lords von Granbretanien erfreuen zu können, hatte er zu Vaiyonn gesagt. In Zinn gegossen und bunt bemalt, waren als winzige Figürchen auch Falkenmond, Herzog von Köln, selbst zu finden, genau wie Graf Brass, Yisselda, Bowgentle, Huillam d’Averc und Aladahn von den Bulgarbergen – die Helden der Kamarg, von denen die meisten ihr Leben in Londra gelassen hatten. Auch die Miniaturfiguren ihrer alten Feinde, der Tierlords, fehlten nicht. Es gab Baron Meliadus in seinem Wolfshelm genauso wie König Huon in seiner Thronkugel, Shenegar Trott. Adaz Promp, Asrovak Mikosevaar und seine Frau,

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