Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)
motiviert hatte. Die Konfrontation mit seinem eigenen beschädigten Ego war hässlich und schmerzhaft. »So will ich nicht mehr sein!«
»Mr. Spencer, genau das ist ein perfektes Beispiel dafür, was für ein großer Mann Sie sind! Was für ein ehrliches, wahrhaftiges Bekenntnis! Gut gemacht! Gott muss sehr zufrieden sein, in Ihnen einen so bescheidenen, reumütigen Gefolgsmann zu haben, jemanden, der bereit ist, jeglicher Selbstsucht zu entsagen und einen neuen Weg zu beschreiten. Ich fühle mich geehrt, Ihr Freund zu sein, Sie meinen Bruder nennen zu dürfen.«
»Du bist nicht mein Bruder!«, rief Tony schroff. Er suchte nach Worten. Hatte Ego nicht recht? Wollte Gott nicht, dass Tony sich änderte? Bereute? Aber in Egos Worten schwang etwas Hässliches, Falsches mit, als sollten Tonys alte egoistische Motive lediglich durch eine neue Version ersetzt werden, die leuchtender und hübscher, aber noch selbstgerechter war. Unterschwellig blieben seine Motive so selbstsüchtig wie zuvor, immer noch ging es darum, sich durch Leistung und Härte persönliche Vorteile zu verschaffen.
»Ich weiß, was du bist«, sagte Tony. »Du bist eine hässlichere und vielleicht sogar ehrlichere Form meiner selbst!«
»Mr. Spencer, wie immer haben Sie recht. Sie müssen selbstlos werden, die anderen Menschen und ihre Bedürfnisse an die Stelle Ihrer eigenen Bedürfnisse und Wünsche setzen. Selbstlose Liebe, das ist das höchste und schönste Opfer, eines, das Gott ganz besonders zu schätzen weiß. Mr. Spencer, Sie müssen das Selbst kreuzigen, es abtöten und Gott auf den Thron Ihres Lebens setzen. Damit Er wachsen kann«, er deutete mit einem dürren Finger zum Himmel hinauf, »müssen Sie schrumpfen.«
»Nun, das klingt richtig, würde ich sagen?« Zweifel umwölkten Tonys Denken, und sein Herz war unruhig. Er schaute Großmutter an, die seinen Blick erwiderte, aber stoisch und stumm blieb. Zuneigung lag in ihrem Blick, und das Versprechen, ihn niemals im Stich zu lassen, aber ihre Haltung signalisierte, dass dies sein Kampf war, in den sie sich nicht einmischen würde. Tony fing an, sich über Großmutters Passivität zu ärgern. Wie konnte sie einfach dastehen und nichts tun? Er war doch wohl kaum darauf vorbereitet, mit dieser Situation allein fertigzuwerden!
»Natürlich haben Sie recht, Mr. Spencer, wie stets. Nehmen Sie sich Jesus zum Vorbild. Er opferte sein Selbst , und damit hat er uns alle freigekauft. Er wurde nichts, damit Sie alles werden können, Mr. Spencer. Verstehen Sie? Das ist es, was er sich wünscht. Er möchte, dass Sie wie er werden: frei .« Ego schrie dieses Wort hinaus, und es hallte von den Mauern wider. Er tanzte im Kreis, hob und senkte dazu langsam die Arme und verkündete in einer Art Singsang: »Frei! Frei, zu wählen. Frei, zu lieben und zu leben und leben zu lassen, frei, nach Glück zu streben, frei, zu tun, was immer Sie möchten, weil Sie frei sind!«
»Stopp!«, brüllte Tony.
Ego erstarrte. Er stand auf einem Bein, die Arme in die Hüften gestemmt.
»Das hatte ich doch bereits. Ich habe getan, was ich wollte, und das war überhaupt keine Freiheit.« Wut packte Tony. »Alles, was ich mit meiner ›Freiheit‹ angefangen habe, war, Menschen zu verletzen und Mauern um mein Herz zu bauen, bis ich überhaupt nichts mehr fühlen konnte. Ist es das, was du mit Freiheit meinst?«
»Nun«, sagte Ego, senkte die Arme und stellte beide Füße wieder fest auf den Boden, »Freiheit hat eben ihren Preis.« Er dehnte das letzte Wort, ließ es von den Mauern der Gebäude widerhallen. »Schauen Sie sich die Menschheitsgeschichte an, Mr. Spencer. Es mussten immer schon Leute sterben, damit andere frei sein konnten. Bei keinem Staat auf Ihrem Planeten ging die Gründung ohne Blutvergießen ab. Wenn Krieg notwendig und gerechtfertigt ist, wird Frieden zur Sünde. Wenn das auf das Regieren eines Staates zutrifft, muss es auch für Sie als Individuum wahr sein.«
Tony wusste nicht genau, warum, aber er fand Egos Logik krank und verdreht.
Ego bemerkte sein Zögern und fuhr rasch fort: »Schauen Sie sich Jesus an, Mr. Spencer. Er hat für Ihre Freiheit alles gegeben! Er opferte sein Leben, um Sie zu befreien. Dieser Mann ging zu Gott und flehte.« Wieder wurde Ego theatralisch, schaute zum Himmel empor und schloss die Augen, als würde er inbrünstig beten: »Lieber Gott, ergieße all deinen Zorn, den du angesichts dieser missratenen, bösartigen Schöpfung verspürst, angesichts der unzähligen
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