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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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unterwegs. Ost-West war zwischen uns nie ein Thema. Durch ihre kirchliche Einbindung und viel West-Verwandtschaft hatte Carina immer eine Anti-Haltung gegen den Ost-Mief. Meine Frau guckt sich etwas lange an, bremst mich manchmal auch aus, doch wenn sie sich ein Bild gemacht hat, verfolgt sie Dinge mit großer Zielstrebigkeit. In der Bioernährung ist sie inzwischen viel konsequenter als ich, ich würde auch mal zur Dönerbude gehen und habe immer Schlupfwinkel gesucht, um der Vollkornküche meiner Mutter zu entwischen.
    Vater wollte ich immer werden. Als Lotte geboren wurde, war ich der glücklichste Mensch der Welt. Vorher glaubte ich: Als Landwirt sitzt du die Geburt mit einer Backe ab, doch es ist völlig anders, wenn man einen geliebten Menschen leiden sieht. Das Gefühl, als ich Lotte im Arm hielt, ist unbeschreiblich. Alles andere war vollkommen weg. Bei meiner zweiten Tochter habe ich mich auch gefreut, es war jedoch insgesamt entspannter, ich war auch etwas enttäuscht, dass es kein Junge war. Aber mit zwei Kindern schwillt die Vaterbrust noch mehr. Kinder sind für mich die Erfüllung schlechthin. Unsere Töchter kommen überallhin mit, sie sehen, wie Leben entsteht und vergeht. Diese Erfahrung ist unerlässlich, wenn man ein zivilisierter Mensch sein will. Die industrielle Tierproduktion, die Megaschlachthöfe, die ganzen kranken Auswüchse akzeptieren Menschen ja nur, weil sie mit dem Thema nicht konfrontiert werden. Ich bin oft erstaunt, was unsere Lotte schon weiß.
    Wichtig ist mir, dass unsere Kinder offene Menschen werden. In der Familie, mit Freunden muss man sich gegenseitig offen sagen können: »Hier bin ich. Willst du mich so nehmen oder nicht?« Die Devise: »Erzähle bloß nicht zu viel von dir, aber sieh zu, dass du von anderen möglichst viel erfährst, das du für dich nutzen kannst«, ist auch bei Geschäften eine hinderliche Einstellung. Und ich möchte, dass unsere Töchter handwerkliches Geschick entwickeln. Wenn man die Hände nicht gebraucht, verkümmert auch der Geist. Im Haushalt haben wir allerdings inzwischen die klassische Rollenteilung. Anders als mein Vater kann ich zwar meine Hemden bügeln. Aber wie heißt es so schön: »Als Mann muss man sich nur fünf Minuten doof stellen, dann reicht es fürs ganze Leben.«
    Pretschen ist jetzt meine Heimat. Ich habe hier das Gefühl von Freiheit und gleichzeitig empfinde ich eine anheimelnde, kuschelige Geborgenheit. Als Unternehmer habe ich im Dorf Gewicht. In diese Rolle wächst man entweder über Generationen hinein oder man arbeitet sich hinein. Letzteres kann man nur, wenn man den Rücken frei hat. Ohne meine Eltern wäre ich mit Pauken und Trompeten untergegangen. Es ist Glück, wenn man Menschen um sich hat, die sagen: »Wir ziehen mit dir an einem Strang.«
    Natürlich fliegen bei uns auch mal die Fetzen. Auseinandersetzungen drehen sich fast nur um Privates. Zum Beispiel, wenn meine Mutter meint, unsere Kinder seien wieder zu spät ins Bett gekommen. Im Betrieb kommen wir uns aufgrund der Aufgabenteilung nicht ins Gehege. Carina führt den Hofladen, meine Mutter macht die Buchhaltung und die Lohnabrechnungen. Mein Vater vermarktet den Chicorée und nun auch Wurst, er macht das Controlling und kümmert sich um alles, was ein Ingenieur übernehmen kann. Mein Tagewerk besteht inzwischen zu 80 Prozent aus Organisation und Büroarbeit und zu 20 Prozent aus praktischer Tätigkeit, jedes zweite Wochenende habe ich Stalldienst, wenn der Bereichsleiter frei hat. Juristisch sind die Mehrheitsverhältnisse so, dass ich das Sagen hätte. Ich trete auch nach außen auf, bin das Gesicht des Betriebes, keiner weiß, dass mein Vater ebenfalls Geschäftsführer ist. Er ist niemand, der sich in den Vordergrund stellt, aber er hat mir das Gut auch nie als Spielwiese überlassen. Dass sich bei Kreditverhandlungen Banker automatisch an ihn wandten, hat mich erst gefuchst, dann sagte ich mir: »Ist doch egal.« Inzwischen zieht sich mein Vater bei wichtigen Bankverhandlungen zurück.
    In der Rückschau weiß ich: Wäre ich allein gekommen, hätte ich nie die Zeit, Kraft, Offenheit gehabt zu überlegen: Was kann ich oder besser: was können wir dem Dorf geben? Ich bin agrarpolitischer Sprecher der Ökoanbauverbände und Vorstandsmitglied von Demeter in Brandenburg. Ich möchte, dass die Biobranche wächst und gedeiht und dass der Namen Pretschen damit verbunden wird, aber ich sehe den Bioboom durchaus mit gemischten Gefühlen. Viele betreiben

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