Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
rechte Szene in Brandenburg. Ich frage mich, warum nicht stärker gegengesteuert wird. Bei diesem Thema habe ich null Toleranz. Ich habe meinen Mitarbeitern gesagt: Leute mit rechtsradikalem Gedankengut schmeiße ich raus. Aber ich bin sicher, rechte Gesinnung steckt nicht in den Genen, sie erwächst aus Trostlosigkeit. Darum bin ich auch so drauf aus, dass hier Arbeitsplätze entstehen. Jemand, der zufrieden ist, ist nicht mehr anfällig für Hetzparolen. Gerade brüte ich über einem Projekt, das die Mitarbeiterzahl verdoppeln würde.
Elisabeth S.: »Ich habe viel Kraft dareingesetzt, mich den Erwartungen meiner Mutter zu widersetzen.«
Auf dem Foto unserer Klassenfahrt lacht eine hübsche 16 -Jährige in Twinset und Rock in die Kamera: brünette Haare, braune Augen, lange, schlanke Beine. Die zweite Aufnahme von Elisabeth im wallenden Hippiekleid entstand, als wir Anfang der 70 er Jahre in München studierten und uns mit einer Freundin und drei fremden Mitbewohnern eine Altbauwohnung zu Schwabinger Konditionen teilten. Keine Küche, kein Waschbecken, die Zähne putzen wir über der Badewanne, in der vermieteten Abstellkammer kampierten wechselnd Gastarbeiter. Auch in Elisabeths Zimmer war ein ständiges Kommen und Gehen. Manchmal war ihr Bett schon besetzt, wenn sie abends nach Hause kam. Dass nicht nur Freunde, sondern auch deren Freunde ihre Gastfreundschaft großzügig auslegten, schien Elisabeth wenig zu stören. Gelassen beglich sie die hohe Telefonrechnung, füllte das Regal mit den Vorräten wieder auf und äußerte ab und zu den Wunsch, eine Teestube zu eröffnen.
Als ich Elisabeth ein Jahrzehnt später in Berlin wiedertreffe, hat sie ihr Soziologiestudium abgeschlossen und macht eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Bald darauf beschäftigt sie mehrere Mitarbeiter in ihrer eigenen Praxis in Kreuzberg, deren individuelle Einrichtung und lockere, freundliche Atmosphäre sich abhebt von zweckmäßigen Gesundheitseinrichtungen. Mit kurzen Haaren und modischem Pep gehört Elisabeth zweifellos zu den Mittfünfzigerinnen, die Blicke auf sich ziehen. Ihr Gespür für die komischen und manchmal lächerlichen Seiten des Lebens macht sie zu einer humorvollen Gesprächspartnerin; begeistert erzählte sie in den letzten Jahren manchmal von ihrer Fortbildung zur Bobath-Therapeutin. (Das Bobath-Konzept ist ein therapeutischer Ansatz bei Patienten mit Schädigungen des Gehirns oder des Rückenmarks.– B.v.K.) Aber ich kenne auch Elisabeths skeptische, manchmal niedergeschlagene Seite. Aufgewachsen im Wirtschaftswunder, später schlingernd zwischen Flower Power und 68 er-Politisierung und auch aufgrund der Frauenbewegung kritisch gegenüber konservativen Rollenmustern, ist sie geprägt von einem bürgerlichen Familienklima, in dem der Wille zum Aufbau zählte und das Kriegstrauma kaum je zur Sprache kam.
Ich bin neugierig auf ihr Nachdenken über das persönliche Glück– ein Thema, das auch in Freundschaften meist auf aktuelle Anlässe fokussiert bleibt. Elisabeths Eigentumswohnung im vierten Stock ohne Aufzug zeigt ihre Begabung, Oasen zu schaffen. In harmonischer Farbkombination verteilen sich in zwei großen Räumen alte und neue Möbel, auf dem Balkon sprießen die ersten Frühlingsboten. Elisabeth ist müde, doch als sie erzählt, weicht die Erschöpfung aus ihrem Gesicht.
Glück ist ein körperliches Gefühl. Man ist im Einklang mit allem, was um einen herum passiert. Glücklichsein ist leicht, warm, ein bisschen aufregend und trotzdem beruhigend. Man fühlt sich aufgehoben und wohl. Vor 30 Jahren hatte Glück für mich etwas Euphorisches. Es hatte zu tun mit Adrenalin, Erotik, Bestätigung. Heute geht Glücklichsein für mich mehr in Richtung Ruhe und Befriedigung. Aber Glücksmomente sind selten. Ich glaube, ich habe in meinem Leben oft reagiert statt selbst aktiv zu sein. Ich habe nicht gesagt: »So bin ich. Das möchte ich. Das suche ich mir.« Ich habe mich treiben lassen und abgewartet, was auf mich zukommt.
Was den äußeren Rahmen betrifft, hatte ich in Dortmund eine behütete Kindheit. Die Rollen in unserer Familie waren geklärt: Mein Vater verdiente das Geld, meine Mutter sorgte fürs Haus, und wir drei Töchter hatten die Aufgabe, gute Schulleistungen zu erbringen. Meine Eltern spielten mit uns Gesellschaftsspiele, wir bekamen Klavierunterricht, wir fuhren regelmäßig in die Ferien. Ich war meist guter Dinge, war oft auch fröhlich. Zum ersten Mal richtig glücklich war ich, als ich mit 15
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