Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
-Zeiten jährlich 80 Lehrlinge ausgebildet wurden, schildert er in sachlichem Ton die Herausforderung, wirtschaftlichen Druck mit dem ethischen Anspruch eines Demeter-Betriebes zu vereinbaren. 800 Hektar Nutzfläche, 600 Rinder, einige Schweine und der Anbau von 100 Tonnen Chicorée beschäftigen heute 14 angestellte Mitarbeiter und in der Hochsaison insgesamt 24 Arbeitskräfte, mit denen sich der neue Hausherr von Pretschen duzt. Als ich ihn im Laufe des Interviews frage, ob er für seinen Lebensentwurf ein Vorbild habe, kommt die Antwort prompt: John W. Carver, ein farbiger US -Amerikaner, der im 19 .Jahrhundert die Erdnuss als Nahrungsmittel verwertete und eine landwirtschaftliche Fachschule für Schwarze gründete.
Es ist Samstag, auch auf Sascha Philipp wartet noch Arbeit. Er will den Strom in den Weidezäunen kontrollieren, der Sonntag sei »eigentlich« der Familie vorbehalten. »Aber wenn ich meine Schuhe ausgezogen habe, gehe ich als Erstes in mein Büro, oft bleibe ich dann dort hängen.«
Bisher war das Leben sehr gut zu mir. Ich bin deshalb so zufrieden, weil ich gestalten kann. Mich reizt die Pionierarbeit. Mit einem Lottogewinn auf den Bahamas zu sitzen würde mich kreuzunglücklich machen. Ich wollte immer Bauer werden, habe dafür viel getan, aber ich hatte auch sehr günstige Umstände, schon als Kind bin ich in die Landwirtschaft hineingewachsen. Mein Vater ist Elektroingenieur, meine Mutter Industriekauffrau, meine Eltern sind also keine Landwirte. Als sie so alt waren wie ich jetzt, überlegten sie, ob sie ihr Geld in Immobilien anlegen sollten oder damit etwas für die Allgemeinheit tun. Mit anderen Familien pachteten sie 1983 im Ruhrgebiet einen Bauernhof, der von einer Betriebsgemeinschaft biologisch-dynamisch bewirtschaftet wurde. Auch wenn mein Vater auf dem Hof selbst wenig mitarbeitete, sah er in der Biolandwirtschaft die Möglichkeit, der Erde etwas zurückzugeben und nicht nur von ihr zu nehmen. Meine Schwester und ich mussten nicht mithelfen, wir durften es. Eine berufliche Alternative wäre für mich die Schauspielerei gewesen, als Waldorfschüler spielte ich begeistert mit in Theateraufführungen. Aber dafür bin ich wohl zu bodenständig. Als ich nach meinem Zivildienst in der gleichen Stadt wie meine damalige Freundin einen Studienplatz für Agrarwissenschaften bekam, war Schauspielerei kein Thema mehr.
Die Wirklichkeitsferne des Studiums in Bonn enttäuschte mich. Ein Schlüsselerlebnis war: Einmal trug eine Professorin vor, Erdbeeren würden unterirdische Sprossausläufer bilden. Als ich ihr nach der Vorlesung sagte, Erdbeeren bildeten oberirdische Sprossausläufer, wand sie sich heraus: Ich hätte die Erdbeeren vermutlich freigehackt. Es gäbe sicher auch einige Spezies mit oberirdischen Ausläufern. Ich überlegte: Wie viel Falsches lernen wir noch? Im fünften Semester habe ich mein Studium geschmissen, mit leichtem Herzen, aber schlechtem Gewissen, weil ich den Grundsatz meiner Mutter überwinden musste, dass man Begonnenes beenden soll. Als ich mit den Exmatrikulationsunterlagen nach Hause fuhr, hörte ich einen Radiobeitrag über erfolgreiche Menschen, darunter viele Studienabbrecher. Ich dachte: »Du hast es also richtig gemacht.«
Damals steckte ich mir bereits das Ziel, einmal einen großen landwirtschaftlichen Betrieb zu leiten. Im Rahmen des Studiums hatte ich ein einjähriges Praktikum absolviert. Nach der Trennung von meiner Freundin strebte ich möglichst weit weg und arbeitete 1994 auf einem ehemaligen volkseigenen Gut in Brandenburg, das die Alteigentümer zurückgekauft hatten. Ich war davor nie in Ostdeutschland gewesen, die DDR erschien mir so fern wie Amerika, wobei ich als Leser von »Winnetou« mit Amerika noch mehr verband. Nun faszinierte mich die Aufbruchstimmung. Es war nicht wie im Münsterland, wo man mit der Zahnbürste die Fugen der Hausmauern putzt, man konnte was bewegen, durch die Arbeitsteilung waren die Eigentümer nicht völlig an den Rhythmus der Landwirtschaft gefesselt. Zudem gab es bezahlbare Betriebe in dieser Größenordnung nur in Ostdeutschland.
Um die Fachschule für Ökolandbau in Kleve besuchen zu können, machte ich dann nach meinem Studienabbruch eine einjährige Landwirtschaftslehre in der Niederlausitz. Rückblickend bin ich froh, dass ich nochmals von unten anfing und praktische Kenntnisse erwarb, die die Uni nicht vermittelt. Sonst wäre ich hier sicher gegen eine Wand gelaufen, verständlicherweise hegten viele Mitarbeiter
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