Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Ökoanbau, weil sie darin eine lukrative Marktlücke sehen, an der grundsätzlichen Haltung ändert sich nichts: Erde und Tiere werden weiterhin als Betriebskapital betrachtet, nicht als Lebewesen, Schöpfung. Ich denke, der Biomarkt wächst auch deshalb so rasant, weil der Egoismus ihn für sich entdeckt hat. Die Leute kaufen Bioware, um sich selbst etwas Gutes zu tun und nicht wie in den 80 er Jahren aus dem Motiv, die Welt zu retten. Da besteht die Gefahr, dass etwas anderes bald in den Fokus rückt. Aber ich hoffe, wenn Leute die Qualität entdeckt haben, werden sie nicht mehr darauf verzichten wollen. Viele Ältere, die bei uns einkaufen, sagen: »Oh, es schmeckt wie früher.« Sie freuen sich, dass es im Dorf einen zweiten Laden gibt. Der Biogedanke ist dabei gar nicht so im Vordergrund.
Mein Traum ist, dass das Gutshaus einmal wieder so schön aussieht wie früher, dass der ganze Gutshof wieder mit Leben gefüllt ist. Aber ich will nicht über die Verhältnisse hinausschießen, ich mache einen Schritt nach dem andern. Glück ist für mich die Überhöhung von Zufriedenheit. Ich kenne auch Momente der Euphorie, aber die ist sehr anstrengend, es geht rauf zum großen Feuerwerk, danach ist man schlapp, die ganze Glückseligkeit verbrennt. Es gibt natürlich auch Stimmungstiefs, Situationen, in denen ich mich frage: Warum tust du dir das an? Neulich fielen an einem Tag drei Maschinen aus. In solchen Katastrophen stelle ich mir die Alternative vor: Will ich nicht besser irgendwo Verwalter oder Traktorist sein? Und dann überwiegt die Erfüllung. Klar denken meine Frau und ich manchmal, wir hätten es gern anders. Seit der Geburt der Kinder sind wir kaum verreist, früher habe ich Historisches und Krimis gelesen, ich habe ferngesteuerte Schiffe gebastelt, in der Schule habe ich in einer Jazzband gespielt, jetzt lese ich nur noch den Spiegel und hocke abends oft vor dem Fernseher, weil ich nichts anderes mehr hinkriege. Ich liebe »Scheibenwischer« und »Mitternachtsspitzen«, habe wohl auch selbst kabarettistisches Talent. Wenn mich jemand auffordern würde, in einem Laienkabarett mitzumachen, würde ich ja sagen.
Einsam fühle ich mich bisher nicht. Wir haben im Dorf Freunde, interessanterweise sind fast alle selbständig. Wohl fühle ich mich mit herzlichen Menschen; ich bewundere, wenn jemand wirtschaftlich erfolgreich ist, ohne seine Herkunft zu vergessen, mich faszinieren Menschen, deren Präsenz den Raum füllt. Solches Auftreten kann ja einschüchternd sein, aber wenn ich Anwandlungen kriege, mich klein zu fühlen, komme ich zum Schluss: Guck dir die positiven Seiten ab! Nimm diese Leute als Vorbild und trotzdem als Gleiche wahr, fehlerlos ist niemand. Falls Menschen mich enttäuschen, mache ich einen rigorosen Schnitt. Ich finde, die Entwicklung des Ichs ist ein Gemeinschaftsprojekt, ein wechselseitiges Nehmen und Geben. Wenn jemand nur nimmt oder illoyal ist, bedeutet das für mich den endgültigen Bruch. Der Tiefpunkt in meinem Leben war, als meine Freundin mich verlassen hat. Meine Bewältigungsmethode in Krisen ist, mich in komplett neue Sachen reinzustürzen. Zurückbleiben und trauern, das will ich auf keinen Fall.
Ich gehe nicht davon aus, dass ich hier nochmals wegziehe. Hier ist es Tradition, dass Dorfbewohner für Verstorbene das Grab schaufeln. Als ich zum ersten Mal gegraben habe, dachte ich: Nee, beerdigt möchte ich hier nicht werden. Da fliegt einem ja der Sand ins Gesicht. Inzwischen kann ich mir auch das vorstellen. Entspannt sagen: »Guck mal, es läuft«, kann ich erst seit zwei Jahren, alles davor war eine ungeheure Arbeit. Ich weiß, wenn ich hier scheitere, sind wir bis an unser Lebensende ruiniert. Unsere Banken sagen uns, wir seien sehr erfolgreich, weil wir bisher alle Kredite bedienen konnten. Ich sehe zwar täglich, welcher Batzen für notwendige Investitionen fehlt, aber wenn ich Hofführungen mache, bin ich stolz und glücklich, was wir bereits geschafft haben. Meine Frau und ich haben gewiss unterschiedliche Glücksvorstellungen. Sie würde gern häufiger wegfahren, das Glück über unsere Kinder erhebt sie noch viel mehr, aber wir sprechen darüber eigentlich nur, wenn ich merke, dass sie irgendwo der Schuh drückt. Ich ergötze mich mehr an dem, was ich selbst gestalten kann, wobei die Gefahr besteht, dass das Gut zum Nabel der Welt wird. Die Buchführung sitzt ja immer mit am Mittagstisch, man kann leicht blind werden für andere Sachen.
Sorge macht mir momentan die
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