Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Generell ist ihr Glück stärker mit guten persönlichen Beziehungen verbunden und sie verknüpfen häufiger berufliche und private Kontakte. Für Männer stehen in der aktiven Berufszeit oft Nutz- und Zweckfreundschaften im Vordergrund. In Nutzfreundschaften profitieren die Beteiligten voneinander. Ohne konkrete Vorteile versanden die Kontakte, was vor allem Ruheständler oft kränkend erfahren. In Zweckfreundschaften stiften gemeinsame Interessen und Ziele eine gewisse Nähe.
Ganz zweckfrei sind auch gewachsene Freundschaften nicht. Besonders Männer suchen oft nicht nach Seelengleichklang, sie schätzen, dass jemand am selben Strang zieht. Wahre Freundschaft beruht jedoch nicht auf gegenseitiger Funktionalisierung, sie lebt von Vertrauen und Vertrautsein, Verlässlichkeit und gegenseitiger Wertschätzung, von der Freude mit- und aneinander. In Notzeiten ist sie ein sicherer Hafen, aber sie ist keine Notgemeinschaft gegen die raue Wirklichkeit, wie es bei unglücklichen Menschen oft der Fall ist. »Ich möchte nicht mehr Freundinnen treffen, um gemeinsam zu jammern, dass nicht alles so ist, wie wir es gern hätten«, beschreibt meine Gesprächspartnerin Elke Rieß die Bastion gegen missliche Verhältnisse. Wird die eigene Misere auf einen ausgeguckten Feind projiziert, ist der Sündenbock leicht austauschbar.
Glückliche Menschen hingegen bereichern andere mit ihrer Gegenwart und sie gehen selbst gern auf Menschen zu. Jemanden zu deckeln, bloßzustellen und zu kränken, verschafft ihnen nicht die kleinen Triumphe, die man oft in Geselligkeiten beobachten kann. Obwohl sie sich durchaus ihrer Haut erwehren, ist es für sie keine Genugtuung, andere zu demontieren. Und sie fühlen sich auch selbst nicht durch Kritik angegriffen. Die Resonanz auf ihre Achtung und Selbstachtung bleibt nicht aus. Da sie andere nicht in Bedrängnis bringen, sind sie beliebt. Freundschaften fliegen glücklichen Menschen zu. Aber sie wissen auch, dass diese keine Selbstläufer sind und kein Abonnement.
Sascha Philipp: »Andere ziehen mit mir am gleichen Strang.«
Sascha Philipps Anruf auf meine Interviewanfrage erfolgt nach einigen Tagen. Während der Ernte sei er von morgens bis abends im Einsatz, entschuldigt die klare, freundliche Stimme. Ein Radiointerview anlässlich der »Grünen Woche« hatte mich aufmerksam gemacht auf den Öko-Landwirt aus dem Ruhrgebiet, der in Brandenburg einen der größten Demeter-Betriebe leitet und in Deutschland zum Hauptproduzenten von Bio-Chicorée avancierte. Als ich mein Anliegen erläutere, ist der 35 -Jährige hörbar überrascht. Ein Gespräch über Glück? Nach kurzer Bedenkzeit verbindet er die Zusage mit der Wegbeschreibung: Pretschen, im Dahme-Spreewald, 65 Kilometer südöstlich von Berlin.
Zwei Zimmer bietet der Gasthof gegenüber dem weitläufigen Land- gut, beim Rundgang durch das 320 -Seelen-Dorf freue ich mich an der Blumenpracht in den Gärten, doch besser, man stellt sich nicht die langen Wintermonate vor. Bis zur Kleinstadt Lübben sind es 20 Kilometer, der Jugendclub hinter der Bushaltestelle wurde geschlossen, eine Großbäckerei ersetzt den »Konsum«. Der kürzlich eröffnete Hofladen am Eingang der Gutsanlage erstrahlt in neuem Glanz, an den Wirtschaftsgebäuden nagt hingegen der Zahn der Zeit. Das Herrenhaus aus dem 19 .Jahrhundert wurde vor langem grau verputzt und allen Stucks beraubt; nur die Eingangstür und die Säulenveranda mit der Freitreppe in den kleinen Park lassen den einstigen Lebensstil erahnen.
Sascha Philipp ist ein kleiner, schlanker Mann mit hoher Stirn und offenem Blick, die dünnen Haare sind streichholzkurz. Über dem Geländer der breiten Holztreppe nach oben hängen Kinderanoraks, der Saal im ersten Stock ist mit Mobiliar aus den 60 ern zweckmäßig bestückt: ein großer Esstisch, eine Sitzecke aus rosa Samt, das Klavier an der Wand ist zugeklappt, unter den tiefen Fenstern steht ein Kaufmannsladen. Die Flügeltüren rechts führen zur Wohnung seiner Eltern, hinter den linken beginnt seine eigene Fünfzimmerwohnung
Während unseres Gespräches habe ich Gelegenheit, fast alle der Drei-Generationen-Familie zu begrüßen: Sascha Philipps Frau Carina bringt uns Kaffee, seine Mutter bittet ihn, ans Bürotelefon zu kommen, Lotte und Gesine, vier und zwei Jahre alt, beobachten vom Schoß des Vaters hellwach die fremde Besucherin. Mit sympathischer Natürlichkeit und schnellem Witz gibt Sascha Philipp Auskunft. Beim Rundgang über den Hof, auf dem zu DDR
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