Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
das Misstrauen: »Da will einer Fördermittel abgreifen. Und dann schmeißt er uns raus.« Wenn man als 27 -jähriger Neueigentümer vor über 40 -jährigen Angestellten steht und sagt, was sie tun sollen, kriegt man erst einmal zu hören: »Das geht nicht.« Ich konnte immer zeigen, dass es doch geht.
Pretschen gefiel uns sofort. Nach vergeblichen Anläufen, eines der Objekte zu erwerben, die von der Nachfolgeorganisation der Treuhand, der BVVG (Bodenverwertungs- und-verwaltungs GmbH), im Angebot waren, erkundigten wir uns, welche Ladenhüter denn verkauft würden. Als ich mit meinen Eltern über die Schwierigkeit sprach, einen Millionenkredit von der Bank bewilligt zu bekommen, fragten sie mich, ob ich mir vorstellen könne, dass sie mit nach Ostdeutschland kommen. Sie waren inzwischen vom Hof weggezogen, meinem Vater juckte es in den Fingern, etwas Neues anzufangen. Wir hatten immer ein inniges, offenes Verhältnis; das Gefühl, an Mamas Herd zurückzukehren, hatte ich nicht. Wir wollten ja nicht vorrangig zusammen leben, sondern gemeinsam etwas tun. Und wer hat schon das Glück, dass Eltern anbieten: »Sollen wir uns zusammen auf den Weg machen, damit wir dich unterstützen können?«
In der Maisonne war das alte Gut die Idylle pur: das klassizistische Herrenhaus, dessen einstige Würde man noch sehen kann, der schöne Park an der Spree, die Mühle, die alte Brennerei. Natürlich hätte mich die bessere Ertragslage in der Magdeburger Börde gereizt, aber ich bin ein vom Gemüt gesteuerter Mensch und konnte mir die verödeten Dörfer in der fruchtbaren Magdeburger Börde nicht schönrechnen. Hier sind die Leute rege, sie halten ihre Häuser und Gärten in Ordnung. Und die Magdeburger Börde im Spreewald kriegt man nicht. Meine Eltern verkauften Haus und Hof und steckten alles Geld in die Gutsanlage, die Ländereien hat die anthroposophische Edith-Maryon-Stiftung gekauft, die soziale Wohn- und Arbeitsstätten fördert. Trotzdem bin ich ein hoch verschuldeter Mann.
Das erste Jahr war die schwerste Zeit in meinem Leben. Am 3 .Januar 1999 fuhr ich mit Freunden hierher, als Vorhut, um schon mal die Öfen anzuheizen. Das Haus hatte fünf Jahre leer gestanden, in einer Woche verbrauchten wir eine Tonne Kohle. Meine Eltern trudelten zwei Wochen später ein, monatelang wohnten wir auf der Baustelle. Klar war ich glücklich. Ich hatte das, was ich mir gewünscht hatte. Ein riesiger Glücksmoment war, als Ende 2000 meine Wohnung fertig wurde. Aber wie nimmt man von so einem Gut Besitz? Es war jetzt unser Eigentum, doch wir mussten andere fragen: »Wo steht die Schippe?« Dieses Fremdsein kann man nur überwinden, indem man Tag und Nacht durch diese neue Welt geistert, ich bin oft bis abends um zehn Uhr durch den Betrieb gestromert und habe jede Tür aufgeschlossen. Anfangs war es unheimlich mühsam, sich durchzukämpfen und Dinge zu tun, die ich nie wollte, nämlich Menschen zu entlassen. Ich hatte den Anspruch, ich bin der Retter und strukturiere den Betrieb um, ohne irgendeinen auf die Straße zu setzen, und musste feststellen: Das geht völlig an der Realität vorbei. Weil das Gut bei Ausschreibungen immer übriggeblieben war, hatten sich sozialistische Gepflogenheiten konserviert: Jeder bediente sich, ob beim Misthaufen an der Straße oder beim Werkzeug in der Werkstatt. 60 Prozent der Kälber starben, der Betrieb wurde durch staatliche Subventionen am Leben gehalten. Wir hatten keine Wahl als der Leitungsebene, die mauerte, zu kündigen. Wenn du zum ersten Mal jemandem ins Gesicht sagst: »Danke, aber ich brauche dich nicht mehr«, bricht dein Selbstbild zusammen. Das wollte ich nicht noch mal machen müssen. So entstand die Idee, Chicorée zu produzieren. Mit dem Hofladen hat sich mein Wunsch erfüllt, dass auch meine Frau auf dem Gut mitarbeiten kann.
Meine Frau Carina und ich haben uns 2000 kennengelernt. Ich war schon ein Jahr hier, meine Mutter las von einer Singleparty in einer Dorfdisco, aber dort wollte ich nicht auf Brautschau gehen. Um ihrem Genörgel zu entfliehen, fuhr ich nach Lübben ins Kino. Im gähnend leeren Kinosaal legte ich meine Jacke auf den Sitz neben mir, Carina bestand darauf, das sei ihre Platznummer. Nach dem Film lud ich sie ein zum Bier. Ich erschien ihr damals wie ein Marsmännchen. Als Zahntechnikerin hatte sie überhaupt keinen Bezug zur Landwirtschaft, mit meinen Eltern unter einem Dach zu wohnen, konnte sie sich nicht vorstellen. Geheiratet haben wir 2003 , unsere Tochter war schon
Weitere Kostenlose Bücher