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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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reagiert. Der schlimmste Schmerz war, als ein Freund, mit dem ich mehrere Jahre zusammenlebte, mir sagte: »Ich möchte nicht, dass jemand mich braucht. Und ich möchte auch niemanden brauchen.« Er hat ausgeschlossen, dass man etwas zusammen fühlt und zusammen tut, er hat das auf »jemanden brauchen« reduziert. Nach unserer Trennung war ich bestürzt, wie klein ich mich gemacht hatte, um ihn zu halten. Heute würde ich mir zehnmal überlegen, ob ich mit einem Mann zusammenziehe. In Italien genieße ich manchmal noch so kleine Flirts, die den Alltag farbiger machen. Jemand lächelt, zwinkert mit den Augen, sagt »Ciao, bella«, lädt einen vielleicht zum Kaffee ein. In Deutschland erlebe ich das nie, vielleicht auch, weil ich in der Erwartung, dass es ohnehin nicht passiert, anders durch die Welt gehe. Ich gehe zielstrebig von A bis B, schlendere und gucke nicht wie in Mailand, wenn ich dort meine jüngste Schwester besuche. Aber in Italien ist das weibliche Leben ziemlich hart. Der Druck, attraktiv, schick und begehrt zu sein, ist viel stärker über Äußerlichkeiten geregelt als bei uns. Wenn ich wählen müsste, ob ich mein Leben in männlicher oder weiblicher Gesellschaft verbringe, würde ich Frauen wählen, da mit Frauen Gespräche leicht sind. Einige meiner Freundinnen wissen fast alles über mich. Ohne den Austausch mit meinen Freundinnen wäre ich eingegangen, ich hätte mein Leben gar nicht hingekriegt. Bei Frauen suche ich Vertrautheit, ich bin offener, ehrlicher als mit Männern, mache mich nicht interessanter und geheimnisvoller als ich bin, während ich bei Männern oft taktiert habe.
    Mit meiner sechs Jahre jüngeren Schwester hatte ich immer sehr engen Kontakt. Bis zu ihrer Heirat blieb sie die kleine Schwester, ich kümmerte mich um sie und sagte, wo’s langgeht. Am schönsten waren unsere gemeinsamen Reisen in den Süden vor 30 Jahren in einem klapprigen VW . Ihre beiden Kinder sind mir sehr nah, ich war bei ihren Geburten dabei. Ich bin der erste Mensch, den mein Neffe gesehen hat, er ähnelt meinem Vater, das freut mich sehr. Ich habe bei vielen Geburten assistiert. Das ist Erleichterung, Überwältigung, Glück, es ist ein Wunder, ein richtiges Wunder.
    Dass ich selbst keine Kinder habe, macht mich nicht unglücklich, aber da ist eine leichte Traurigkeit. Mit Anfang 20 war ich zweimal schwanger, das zweite Baby hätte ich gern behalten, nach einem Autounfall hatte ich eine Fehlgeburt. Eingeholt hat mich das erst, als ich 40 wurde. Es kann sein, dass sich für mich über Familie jetzt ein goldener Schimmer legt, weil ich keine habe. In meiner Praxis erlebe ich ja, wie unsicher Eltern oft sind. Doch ich bin auch beeindruckt von ihrer Kraft. Familie gibt Geborgenheit, du entkommst ihr nie, und das ist auch gut.
    Die schönsten Momente mit meinen Eltern habe ich erlebt, als sie alt wurden. Als ich merkte, dass sie jemanden brauchen, bin ich oft zu ihnen gefahren. Meine Besuche hatten immer den gleichen Verlauf: Am ersten Tag war große Wiedersehensfreude, der zweite Tag war meist schon getrübt von ihrer ständigen Sorge, was andere denken, am dritten Tag äußerte meine Mutter irgendetwas, was mich verletzte. Trotzdem hatte ich das Gefühl, ich fahre nach Hause. Und wenn ich mich durchsetzte und wir machten eine kleine Reise oder einen Tagesausflug, wuchsen meine Eltern immer ein bisschen über ihren engen Blickwinkel hinaus. Nach seiner Pensionierung wurde mein Vater viel offener, er sprach plötzlich aus, was er fühlte. Wenn ich kam, sagte er: »Gott sei Dank, dass du da bist.« Oder: »Wie gut, dass wir dich haben.« Seit seinem Tod habe ich nicht mehr das beruhigende Gefühl, im Notfall beschützt zu sein.
    Auch meine Mutter hat sich geändert. Sie gibt sich mit 81 große Mühe, fit und gesund zu bleiben, sie ist lebendiger und wacher und gefällt mir hundert Mal besser als früher. Vielleicht haben unsere vielen Kriege eine Änderung bewirkt. Vielleicht merkt sie, dass sie nicht zu viel erwarten darf, und genießt das, was da ist. Ein Grund ist sicher, dass sie von Nachbarn und Verwandten hört: »Was du für nette Töchter hast.« Ich sagte zu ihr einmal: »Mama, ist es nicht seltsam? Ich kenne viele Frauen, die nie der Liebling ihrer Mutter waren und sich jetzt besonders um sie kümmern. Bei uns beiden ist das doch auch so.« Sie schnappte erst nach Luft und erwiderte: »Da tust du mir aber total unrecht.« Aber in den folgenden Tagen hat sie mir dreimal erklärt, wie wichtig ich ihr

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