Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Wollen und Wünschen werde häufig von unterschwelligen Anliegen sabotiert, die unseren Vorsätzen zuwiderlaufen. Von dieser Gesinnungsdynamik hänge es weitgehend ab, ob wir frohe oder schlechte Erfahrungen machen. Pointiert zugespitzt: Edle Gedanken bescheren Gutes. Trübe Gedanken locken Unglück geradezu an. Anders als die Buddhisten misstraut Allen allerdings der Lernbereitschaft von Menschen. Ihr Wunsch nach Veränderungen beschränke sich meist darauf, äußere Umstände zu verbessern, statt (auch) den Hebel bei sich selbst anzusetzen. 36
Für Sigmund Freud ist das Glück des Menschen erst gar nicht im Plan der Schöpfung vorgesehen. Wir seien so eingerichtet, dass wir nur im Kontrast intensiv genießen können, ein Dauerzustand wäre unerträglich, schreibt der Erfinder der Psychoanalyse: »Glück und Schmerz bilden einen Spannungsbogen, ohne den das Leben in sich zusammenfällt.« Fortwährendes Glück trage ebenso zur Abstumpfung bei wie der Verzicht auf Glück zugunsten eines gleichförmigen Daseins ohne Höhen und Tiefen. Beides führe zur Langeweile. 37
Glückshysterie und wissenschaftliche Erkenntnisse
War es jahrtausendelang das Vorrecht einer kleinen, privilegierten Schicht, den Ursprung von Glück und Unglück zu ergründen und subjektiv auszulegen, so fußt die aktuelle Glücksforschung auf der breiten Basis von psychologischen Studien, Hirnforschung und demographischen Erhebungen. Die Frage nach dem Glück tauche immer dann auf, wenn eine Gesellschaft sich neuen Herausforderungen stellen müsse, erklärt der Berliner Philosoph und Autor Wilhelm Schmid die derzeit ausufernden Glücksdebatten, die auch jene, die sich rege daran beteiligen, als schiere »Glückshysterie« bezeichnen. Während nach dem Krieg in beiden deutschen Staaten materielle Anschaffungen auf der Wunschliste zuoberst standen und in den 60 er Jahren politische Utopien individuelle Glückssehnsüchte in die hintere Reihe verbannten (und persönliche Anliegen sich hinter Ideologien versteckten), rücken seit Ende der 80 er Jahre persönliche Glücksvorstellungen wieder in den Mittelpunkt, parallel zu gesellschaftlichen Umbrüchen.
Mit dem Scheitern sozialistischer Staatsmodelle, der Aufweichung politischer Blöcke (links oder rechts, Freiheit oder Sozialismus) mit der Krise technischen Fortschrittsglaubens, der Annäherung geschlechtlicher Rollen und durch die Erosion beruflicher und familiärer Bindungen verflüchtigen sich allgemeingültige Inhalte und Ziele, was die Chance und Last vergrößert, nach eigener Fasson selig zu werden. Zwar werden im Zeitalter der Globalisierung Menschen immer mehr Spielball undurchsichtiger Mächte. Unsichere Arbeitsplätze, Umwelteinflüsse und steigende Armut vermitteln das Gefühl von Ohnmacht. Doch der Abschied von utopischen Denkmodellen und das Versagen von Institutionen, von denen wir Wohltaten erwarten, bewirkt auch, dass wir unser Glück weniger an andere delegieren. Wir ziehen uns mehr auf uns selbst zurück, igeln uns ein und besinnen uns bestenfalls auf eigene Ressourcen und Kräfte.
Der Spielraum für individuelle Lebensstile lockt zuvorderst die Werbung an. Sie kurbelt Glückssehnsüchte an, die die Wirtschaft zu stillen vorgibt. »Wir sind vermutlich die ersten Gesellschaften in der Geschichte, in der die Menschen dazu gebracht werden, unglücklich darüber zu sein, dass sie nicht glücklich sind«, interpretiert der französische Essayist Pascal Bruckner die Welle der Glückssuche, die in viele soziale Bereiche schwappt. 38 Mit dem Credo: »Was mir und anderen nützt, macht glücklich. Das größte Glück ist das, was die größte Zahl von Menschen erreicht«, messen Ökonomen Glück vor allem an wirtschaftlichen Effizienzkriterien.
Doch auch Wissenschaftler treibt die Neugier um, weshalb Nationen und Menschen Lebensfreude ausstrahlen, die sich nicht nur mit äußeren Bedingungen erklären lässt. Dass Soziologen, Neurobiologen, Psychologen, Theologen nur die Befunde ihrer Disziplin liefern können, relativiert manches Teilergebnis. Einst wie heute verwirren die hauptsächlich von Männern elaborierten Maximen der Lebenskunst durch ihre mitunter befremdliche Lebensferne. Naturgemäß mit zentralen Fragen nach dem Lebenssinn und der ausgewogenen Lebensbalance befasst, ist die heutige Glücksforschung längst nicht so innovativ, wie sie sich bisweilen geriert. Sie greift uralte Menschheitsthemen auf und kleidet sie in ein neues Gewand. In der Kernaussage oft gar nicht abweichend
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