Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
wohltemperierte Mittellage vor. Glück, Euphorie, Ekstase gefährden Gewohnheiten und sprengen das beschauliche Tagaus, Tagein, das den Vorteil des vertrauten Gleichmaßes hat. Himmelhoch jauchzen? Man weiß ja, was folgt: zu Tode betrübt. Deshalb dosiert man lieber Gefühlsausschläge nach oben und unten. Und ist dabei in prominenter Gesellschaft. Auf die Frage, ob er glücklich sei, antwortete der Schriftsteller Martin Walser: »Nein. Es ist auch nicht nötig.« 68
Ständiges Vergleichen
Der Vergleich mit anderen, denen es besser geht, ist ebenfalls ein probates Mittel, Unzufriedenheit zu schüren. Zumal wir das Glück anderer generell überschätzen. Während wir eigene Mühen kennen, blenden wir die Anstrengungen anderer oft aus. Ihnen fällt anscheinend das Glück in den Schoß.
Obwohl das Aneinander-Messen auch anstachelt zu kreativem Leistungswettbewerb, und Menschen Leid leichter ertragen, weil sie ihr Los mit einem noch schlimmeren Schicksal relativieren, liegt Konkurrenz oft die Motivation zugrunde, den Nebenbuhler auszustechen. Unglücklich mache es nicht, wenig zu haben, sondern weniger als andere zu bekommen, erklären Glücksforscher die Unruhe, die Menschen an- und umtreibt, egal, wie viel sie schon besitzen. Auf der »Insel der Seligen« lautet der Titel eines Zeit-Artikels über Sylt, in dem der Wirt des »Gogärtchens«, einer der ersten Adressen auf Kampen, über die Gespräche der Schönen und Reichen klatscht. Diskretion gehört zu seinem Gewerbe. Dennoch berichtet Rolf Seiche, wie erstaunt er seinen Gästen zuhört: »Man fasst es ja kaum, was Männer, die große Unternehmen aufgebaut haben, die hoch erfolgreich sind, so alles reden und tun. Wie sie sich um gesellschaftliches Renommee bemühen, um den Ritterschlag einer Einladung zum exklusiven Krebsessen. Wie sehr es um Neid, Liebe und Liebesverrat geht.« 69
Über dem permanenten Druck, mitzuhalten oder andere zu überholen, hängt das Damoklesschwert, vor ihren Blicken zu versagen. Wer darauf bedacht ist, seine Mitmenschen zu beeindrucken, liefert sich auch deren Urteil aus. Das Selbstwertgefühl stützt sich nicht auf das, was man kann und fühlt, sondern steigt oder fällt mit dem, was andere über einen denken. Menschen, die sich ständig vergleichen, investieren oft nicht in die Entwicklung ihrer Persönlichkeit, sie investieren in ihr Image, das sie notfalls mit Bluffen aufpolieren.
Letztlich dreht es sich darum, als Lebensmeister zu glänzen. Doch im Dauerwettlauf, weiß Wolfgang Krüger, wird gerade die Lebenskunst geopfert: »Wir neigen dazu, unser Glück davon abhängig zu machen, wie gut wir im Vergleich mit anderen abschneiden. Neid ist immer etwas, was Glück zerstört, wobei wir am stärksten neidisch sind auf das Glück der anderen. Besitz können wir uns gegebenenfalls erarbeiten. Aber dass jemand aus tiefstem Herzen unbekümmert ist, wird von vielen Menschen als Bedrohung empfunden. Ich habe mir selbst zum Prinzip gemacht: Wenn jemand etwas besser kann als ich, suche ich den Kontakt und frage: ›Wie machst du das?‹«
Alle meine Enttäuschungen haben sich erfüllt
Unglück freilich lässt sich nicht regulieren. Zwischen Pech und Katastrophe ist das Minenfeld reich bestückt. Ein feindliches Terrain. Für manche Menschen scheint es fast eine Heimstatt zu sein. Sie kennen sich hier aus und wissen, dass es kein Entkommen gibt. Mit traumwandlerischer Sicherheit beschwören sie Niederlage auf Niederlage herauf, wie Eckart von Hirschhausen in seinem Kabarettprogramm aufs Korn nimmt: »Pechvögel haben noch nie etwas im Preisausschreiben gewonnen. Die haben auch nicht mitgemacht, weil sie schon wussten, dass sie nichts gewinnen. Richtige Pechvögel haben natürlich eine unglückliche Partnerschaft, machen das aber wett durch mehrere unglückliche Partnerschaften, parallel.« Manchmal wirkt es, als würden Menschen ihre Benachteiligung geradezu pflegen. »Hätte ich doch…«, ist eine häufige Formulierung, der Unterton der Beschwerde signalisiert allerdings, dass sie jemanden anders für Defizite verantwortlich machen. Doch der Vorwurf »Selbst schuld« lässt die Frage außer Acht, weshalb sie sich immer wieder Fehlschläge einbrocken.
Unser Gehirn ist falsch programmiert, ist die Antwort der Hirnforscher. Wie grob- oder feinmaschig unsere Gehirnzellen (Neuronen) durch Nervenleitungen verbunden werden, hängt von Erlebnissen und emotionalen Prägungen ab, wobei in der Kindheit die meisten Verknüpfungen erfolgen.
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