Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
ihn angewiesen. Der Mann klingelt beim Nachbarn, der öffnet, er schreit den Nachbarn an. »Behalten Sie doch ihren Hammer, Sie Rüpel!« 65
»Menschen laufen unbewusst ihren eigenen Ohrfeigen nach«, erklärte der Arzt und Psychologe Alfred Adler, ein abtrünniger Schüler Freuds, die Selbstbestrafungsmethoden, mit denen sich Stiefkinder des Lebens ihr Los wieder und wieder bestätigen. Während zufriedene Menschen Ziele haben, die sie anstreben, und günstige Gelegenheiten beim Schopfe packen, beobachte er bei vielen Patienten einen Hang zur Passivität, berichtet der Psychotherapeut Dr. Wolfgang Krüger: »Bei meinen Patienten gibt es zwei Gruppen. Für die eine Gruppe wäre Glück, wenn ein bestimmter Zustand endet: die Krebserkrankung, die Arbeitslosigkeit, die Depression oder Überschuldung. Viele dieser Patienten erkennen erst rückblickend, wie gut es ihnen ging, als sie noch gesund waren, als sie eine Arbeitsstelle hatten, als sie in einer Partnerschaft lebten und das Leben einigermaßen stabil war. Für die zweite Gruppe gilt: Ihr Leben schwimmt wie ein Boot auf einem See so dahin. Aber zur wirklich glücklichen Fahrt fehlt irgendetwas, ohne dass sie wissen, was es sein könnte. Sie haben eine gedrückte Stimmung, sind selten ausgelassen, selten »von Herzen fröhlich«. Sie kennen den Zustand nicht, in dem man die ganze Welt umarmen kann. Selbst wenn sie konkrete Wünsche haben, entwickeln sie selten Strategien, um diese zu verwirklichen. Sie warten ab. Viele meiner Patientinnen sehnen sich nach einem Partner. Ihre Initiative, ein Mann kennenzulernen, ist so gering, dass man vorhersagen kann: Das wird nie zustande kommen.«
Verhaltensweisen der Selbstsabotage
Der Aufschub des Glücks
Ein bewährtes Rezept, um Ziele zu verfehlen, ist es, Vorhaben zu vertagen. Aus Bequemlichkeit und/oder Skepsis, ob sie ihren Vorsatz überhaupt einlösen können, schieben Menschen die Umsetzung immer wieder auf und lassen sich von kleinen Widrigkeiten leicht von ihrer Absicht abbringen. Auch das Umherirren zwischen Optionen, das minutiöse Abwägen ihrer Vor- und Nachteile lässt manche fackeln, bis sich ihr Plan von selbst erledigt. »Unglückliche Menschen überschätzen oft das, was sie kurzfristig erreichen können, und unterschätzen, was sie langfristig erreichen können«, erklären Glücksforscher dieses überdurchschnittliche Hadern, Zögern, Vertrödeln und Flickschustern. Statt Stärken auszubauen, doktern sie herum an Schwächen.
»Wir leben nicht, wir hoffen, irgendwann einmal zu leben.« 66 So hoffnungslos, wie Blaise Pascal, Mathematiker und Philosoph im 17 .Jahrhundert, die Lage einschätzte, ist sie nicht. Aber wir sind talentiert, die Erfüllung unserer Wünsche zu vereiteln. Obwohl wir einerseits unsere Volltreffer im Leben gern zur Schau stellen, weichen wir andererseits oft den Chancen zum Glück aus. Mangels Zeit, weil wir gerade mit anderen Plänen beschäftigt sind. Und aus innerem Widerstand, der keineswegs seltenen Angst vor Glück.
Unsere Terminschwierigkeiten leuchten noch am ehesten ein. Gern würden wir das Konzert hören, aber leider muss anderes erledigt werden. Erst die Pflicht, dann die Kür. Tut sich mal eine Lücke auf, wird sie leicht wieder mit Dringendem aufgefüllt.
Guckt man genauer hin, zeigt sich freilich, dass äußere Zwänge oft ein Vorwand sind. »Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große vergebens warten«, bilanziert die Schriftstellerin Pearl S. Buck 67 die Hoffnung auf den großen Wurf. Die Vertröstung auf später erspart uns zudem Ernüchterung. Während man sich in der Fantasie ungetrübt Lust und Liebe hingibt, funken realiter Störfaktoren dazwischen. Das Bett knarrt, der Liebhaber hustet, das Handy klingelt im falschen Moment. Und wir nehmen uns selbst überallhin mit.
Im Fühlen und Denken archaischer als wir oft meinen, fürchten wir den Neid unserer Mitmenschen und insgeheim auch die Buchführung einer Schicksalsmacht. »Früher hatte ich oft Schuldgefühle, wenn es mir gutging, aus Angst, dass man Glück mit Unglück bezahlen muss. Wenn jetzt großes Glück kommt, nehme ich es dankbar an«, beschreibt meine Interviewpartnerin Corinna Mahlke die Annahme, unser Glückskonto nicht ungestraft überziehen zu dürfen.
Vor allem aber fürchten wir wohl, selbst aus dem Gleichgewicht zu geraten. So gern sich Menschen in der Kunst oder in der Fernsehshow von großen Gefühlen überschwemmen lassen, im Alltag ziehen viele die
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