Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
mit starker Ich-Bezogenheit, schenkt ein Neurotiker seinen Mitmenschen geringe Aufmerksamkeit. Sich selbst ständig im Wege, nimmt er auch die Bedürfnisse, Ideale, Ziele anderer wenig ernst. Gierend nach Akzeptanz und Zustimmung, gleichzeitig im tiefsten Herzen davon überzeugt, nicht liebenswert zu sein, benutzt er Menschen für sein Geltungsbedürfnis. Um sich von Schuldgefühlen zu entlasten, projiziert er seine eigenen egoistischen Beweggründe auf andere. Aber auch weil für ihn außerhalb seiner eigenen Empfindungen wenig existiert, geht er davon aus, dass seine Mitmenschen ihn so geringschätzig behandeln wie er sie behandelt oder behandeln möchte.
In lichten Momenten ist sich ein neurotischer Mensch seines inneren Widerstreits durchaus bewusst. Meist aber macht er seine Not an vermeintlichen Widrigkeiten fest. Das Lamento über die äußere Misere lenkt vom inneren Elend ab. Er ahnt zwar, dass er selbst die Quelle des Unglücks ist, erwartet aber Verbesserungen von außen. Doch wer sich selbst fehlt, dem fehlt alles. Ein Mensch ohne stabiles Selbstwertgefühl nimmt diesen Mangel in jede Situation mit hinein.
Schicksalsschläge– Fluch oder Chance?
Warum bewältigen Menschen schwere Schicksalsschläge, mit denen andere nicht fertig werden? Die Frage beschäftigt vor allem die Resilienzforschung. Seit fast 30 Jahren ergründen Psychologen, welche seelische Widerstandskraft Menschen Traumata und Krisen überstehen lässt. 73 Auch Glücksforscher befassen sich damit: Diametral klaffen die Freude eines Lottokönigs und die Verzweiflung eines gezeichneten Unfallopfers zunächst auseinander, doch schon nach einem Jahr nähert sich ihre Grundstimmung wieder an. Extreme Gefühle haben oft eine kurze Halbwertszeit. Im Guten wie im Schlechten werde die Intensität von Emotionen überschätzt. Fast immer freilich ist es zunächst ein persönlicher Weltuntergang, wenn eine Krankheitsdiagnose oder Katastrophe die bisherige Lebensweise durchkreuzt und alle Pläne zunichte macht. »Meine Zukunft schnurrte zusammen auf ein Bild: Ich in diesem schweren Rollstuhl aus Metall– ein Leben lang«, beleuchtet Steffen Köhn in unserem Gespräch den Schock, als er nach einem Badeunfall seine Querschnittslähmung richtig begriff.
Seit 20 Jahren Mitarbeiterin der Fürst-Donnersmarck-Stiftung, eine Stiftung für körperbehinderte Menschen, und in Berlin Leiterin des Bereichs Freizeit, Bildung, Beratung, weiß Annemarie Kühnen-Hurlin, welchen Einschnitt es bedeutet, jäh auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Doch sie erlebt auch, in welchem Maße Betroffene die langfristige Perspektive beeinflussen können: »Positiv denkende Menschen gucken nach vorn. Sie durchschreiten ebenfalls den notwendigen Prozess von Trauer, Wut, Enttäuschung, aber sie haben gelernt, auf den Käse zu gucken und nicht auf die Löcher. Sie konzentrieren sich auf das, was sie haben, und nicht auf den Mangel. Behinderte können sagen: Ich bin in ein Wohlstandsland hineingeboren, dadurch habe ich viele Hilfsmittel. Diejenigen, die ihr Schicksal meistern, sagen: ›Ich bin glücklich, weil…‹, nicht: ›Ich bin glücklich, obwohl…‹ Sie wissen, was ihnen Glück schenkt, können es benennen. Sie suchen und finden einen neuen Lebensweg.«
Nach Ergebnissen der Resilienzforschung zeichnen sich Menschen, die an tragischen Lebenswenden nicht zerbrechen, durch folgende Eigenschaften aus:
• Sie nehmen ihr Schicksal an. Sie wissen: Weglaufen hilft nicht. Sie stellen sich der Krise, wachsen an ihr.
• Sie suchen nach Lösungen und an Ansprechpartnern.
• Obwohl sie zunächst auch hadern, verharren sie nicht in der Opferrolle. Statt zu sagen: »Ich kann nicht«, nehmen sie sich vor: »Ich probiere es.«
• Sie gehen davon aus, dass negative Ereignisse begrenzt sind. Weil sie ein inneres Gegengewicht haben, blicken sie zuversichtlich in die Zukunft.
• Sie zermartern sich nicht mit Selbstvorwürfen.
• Sie rechnen mit den Wechselfällen des Lebens. Zur Fülle des Lebens gehört auch Unglück. Weil sie es nicht ausklammern, sind sie mental besser auf schmerzliche Lebenseinschnitte vorbereitet.
Negativ denkende Menschen richten sich hingegen im Status des Kranken ein, beobachtet Annemarie Kühnen-Hurlin. Weil Schwarzseher ihre Wahrnehmung auf ein schmales Terrain eingeengt haben, sehen sie kaum Ausweichmöglichkeiten vor dem Unglück, als dessen ohnmächtige Zielscheibe sie sich fühlen. Gleichzeitig profilieren sie sich in der Opferrolle. »Es klingt ja
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