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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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eine Form von Lebensqualität, die ich mehr als alles andere genieße. Zu sehen, was man mit seinen Händen alles machen kann, ist ein Glücksgefühl. Zu erfahren, es ist kein Hexenwerk, man muss nur die Mauern im Kopf einreißen und sagen: »Ich probiere es aus. Im schlimmsten Fall muss ich es nochmals machen.« Wir haben von Etappe zu Etappe gearbeitet, im Internet habe ich Antworten zu allen Fragen gefunden oder ich habe einen Fachmann konsultiert. Ohne Wilhelms Vorbild hätte ich sicher größere Manschetten vor einem alten Haus gehabt. Mutlos waren wir nur einmal, als wir unsere Umzugskartons gepackt hatten und es im Haus noch keine Heizung, kein warmes Wasser gab. Freizeitunternehmungen bleiben derzeit weitgehend auf der Strecke, aber es ist auch eine Form von Glück, wenn wir gemeinsam Fliesen fürs Bad aussuchen. Und wir haben seit einigen Monaten einen Hund, der unser Leben bereichert.
    Vor diesem Gespräch habe ich überlegt, ob ich Glück definieren kann. Ich denke, Glück bedeutet für mich vollkommene innere Zufriedenheit. Und ich kann sagen: Im Großen und Ganzen haben wir dieses Glück. Glück verläuft in Kurven, es gibt Tage, da bin ich unglücklich, aber ich weiß, dass es wieder bergauf geht. Neulich hörte ich einen Satz, der meine Einstellung trifft: »Freiheit ist nicht, zu tun, was man will, sondern nicht zu tun, was man nicht will.« Ich habe mir zum Ziel gesetzt: Ich möchte tun, worauf ich Lust habe und was mich weiterbringt. Das Vermächtnis von Geraldines Tod ist für mich, dass man jeden Tag bewusst leben soll. Und bewusst leben heißt für mich auch, dass man auf neue Gegebenheiten reagieren muss. Gegen Krankheiten ist man nicht gefeit, aber ich kann meinen täglichen Gang und somit meinen Gang an sich beeinflussen. Ich bin rationaler geworden, versuche bewusster, falsche Schritte zu vermeiden.
    Manchmal denke ich: Warum trifft es auch noch Peter?, wobei ich die Frage »Warum?« nicht an ein höheres Wesen richte. Nachdem Geraldine so aus dem Leben geschieden ist und dann auch Peter erkrankte, war für mich klar, dass Gott nicht existiert. Peter bringt der Glaube etwas, ihn stützt die Bibel, er ist Mitglied in der Evangelischen Freikirche. Ich respektiere seine Überzeugung und finde es wunderbar, wenn es etwas gibt, woraus er Kraft schöpft, obwohl ich mir wünschte, dass er etwas Handfestes hätte, woran er sich im Leben festhalten kann, dass er Glück leiblich spürt und nicht nur aus Niedergeschriebenem zieht. Es gab Phasen, in denen ich bei jedem nächtlichen Telefonklingeln Angst vor der Nachricht hatte: Peter hat sich umgebracht. Diese Angst ist schwächer geworden. Wir telefonieren ein- bis zweimal in der Woche miteinander, ich versuche, ihm Mut zu machen, aber man kann ja seine Erkrankung nicht einfach beiseiteschieben.
    Ich habe keine Sehnsüchte, wünsche mir nichts brennend. Ich wünsche uns, dass wir finanziell keine Sorgen haben, dass wir jeden Abend sagen können: Der Tag war in Ordnung. Ich denke, Sehnsüchte entstehen aus mangelnder Zufriedenheit. Gießen ist nicht schlecht, aber es war nie die Stadt unserer Wahl. Was mich noch mehr als unser Hausprojekt bindet, ist der Volleyballverein, als Trainer habe ich Verantwortung und ich habe Verantwortung als Firmeninhaber. Nach einem Stellenwechsel ist Charlotte mit ihrer Arbeit hier äußerst zufrieden.
    Als wir wegzogen, wollten Charlotte und ich unbedingt in die Stadt, jetzt fahren wir beide gern in unser Heimatdorf und könnten uns vorstellen, irgendwann einmal dort wieder zu wohnen. Die Umgebung, mein Elternhaus ist ein Idyll. Ich bin froh, dass Wilhelm wieder eine Partnerin hat, auch wenn seine Frau ein komplett anderer Mensch ist als Geraldine. Für Peter und mich ist sie eine Freundin, sie hat nie eingefordert, ein Mutterersatz zu sein. Wir besuchen uns ungefähr einmal im Monat. Was ich beruflich tue, kann Wilhelm nicht einschätzen, dazu versteht er zu wenig von der Materie. Es würde mich freuen, wenn er mal sagen würde: »Erklär mir genau, was du machst«, doch es genügt mir, wenn er beruhigt ist und sich meinetwegen keine Sorgen macht.
    An Geraldines Grab gehe ich selten. Ich verbinde nichts damit. Sie ist jetzt in mir. In allem, was mir Freude bereitet, schwingt ein Teil von ihr mit. Ich denke jeden Tag an sie. Bei jedem größeren Schritt, den ich im Leben mache, wünsche ich mir, dass meine Mutter teilnehmen könnte. Dass ich sie anrufen könnte und ihr sagen: »Wir haben einen Weinstock gepflanzt und der

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