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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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wächst wie verrückt.« Wenn es uns gutgeht, wir glücklich sind, sagen Charlotte und ich oft: »Wie schön wäre es, wenn unsere Mütter hier wären.« Es hätte mir vielleicht geholfen, wenn Geraldine einen Abschiedsbrief hinterlassen hätte, aber ich weiß, dass sie es nicht konnte. Wenn ich nachts von ihr träume, träume ich fast immer davon, wie fröhlich und liebevoll sie war.
    Steffen Köhn: »Unabhängigkeit ist das Wichtigste.«
    »Ich mag Menschen, die sich was zutrauen. Die trotz eines Schicksalsschlages ihren Weg weitergehen. Ich bewundere Menschen, die das schaffen.« Ganz am Schluss unseres Gesprächs fallen diese Sätze, als ich Steffen Köhn frage, was er bei anderen am meisten schätzt. Seine Antwort ist zweifellos auch eine Selbstbeschreibung. Steffen Köhns Telefonnummer erhalte ich von einer Mitarbeiterin der Fürst-Donnersmarck-Stiftung, eine 1916 gegründete Stiftung mit dem Ziel, die selbstbestimmte Lebensführung von körperlich behinderten Menschen zu unterstützen. Steffen Köhn sei ein engagierter, fröhlicher Kollege, berichtet meine Bekannte. Und: Trotz eines Unfalls strahle der 35 -Jährige große Lebenszufriedenheit aus.
    Wir verabreden uns in Steffen Köhns Wohnung im Nordwesten Berlins. Neben der Treppe führt eine Rampe zum Hochparterre, surrend schiebt sich die Wohnungstür zur Seite. Ein großer, blonder, sehr schlanker Mann im Rollstuhl mit freundlichem Gesicht und blauen Augen bittet mich ins Wohn- und Arbeitszimmer. Der großzügige Raum ist zweckmäßig möbliert. Vertiko, Regal und Schreibtisch aus fahl lackiertem Holz lassen den Gang frei zur angrenzenden Küche und dem Schlafzimmer nebenan, auf dem Couchtisch vor der gemusterten Polstergarnitur stehen Kaffee und Kekse bereit, das Gemälde mit dem großen Segelschiff, erzählt Steffen Köhn, haben ihm seine Freunde zum Einzug geschenkt. Von einem Foto mit Trauerflor lächelt eine noch junge, freundliche Frau – seine Mutter.
    Unser Gespräch ist flüssig. Klar und prägnant geht Steffen Köhn auf meine Fragen ein, wobei er wiederholt auf die Sicht und Erfahrungen anderer zu sprechen kommt.
    Wenn mir eine gute Fee eine Stunde zur freien Verfügung schenken würde, würde ich Motorrad fahren. Ich habe es noch im Gefühl, wie es ist, Gas zu geben und den Fahrtwind zu spüren. Natürlich würde ich viel darum geben, die Querschnittslähmung rückgängig zu machen. Doch so ein Unfall passiert anderen auch, und die Folgen sind oft viel schlimmer. Mein erstes großes Glück ist: Ich habe überlebt! Das zweite Glück ist: Ich lebe so gut!
    Ich bin an der Ostsee, in der Nähe vom Darß aufgewachsen. Hinter unserem Plattenbau war ein Wald, nachmittags flog die Schultasche in die Ecke, dann spielten wir Fußball, fuhren Fahrrad, oder wir erkundeten die alten Bunkeranlagen, was natürlich verboten war. Wir hatten einen Garten, waren alle sehr naturverbunden. Im Urlaub sind wir mit meinen Eltern Ski gelaufen oder zum Wandern ins Riesengebirge und in die Hohe Tatra gefahren, im Sommer haben wir gezeltet, geangelt, wir sind geschwommen, wir hatten ein Boot. Mit 16 bekam ich ein Motorrad. Da meine Mutter ganztags als Kindergärtnerin arbeitete und mein Vater als Offizier in der NVA oft bis abends Dienst hatte, wuchsen wir drei Geschwister sehr selbständig auf. In schulischen Dingen war mein Vater streng, er ist sehr geprägt von der Armee. Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Ordnung, diese Werte habe ich von ihm übernommen, auch wenn ich meine Hemden nicht auf A 4 -Format zusammenfalte. Er war aber nicht nur ein Vater, sondern auch mein Freund. Er hat mit uns Drachen gebaut, Fahrräder repariert, er half mir bei den Schularbeiten. Bei Problemen war meine Mutter die erste Anlaufstelle. Sie war ein lebenslustiger Mensch, hat viel gelacht. Über Gefühle wurde kaum gesprochen, man hört als Jugendlicher über so etwas ja auch ein bisschen hinweg. Ich spürte jedoch immer, dass meine Eltern uns liebhaben. Vermutlich hätte mein Vater es gern gesehen, wenn ich wie er Elektroingenieur geworden und auch zur Armee gegangen wäre, doch mich interessieren Mechanik und Motoren. Nach der mittleren Reife begann ich eine Lehre zum Autoschlosser.
    Den 20 .Mai 1989 vergesse ich wohl nie. Manchmal habe ich mich gefragt, ob es so etwas wie Schicksal oder Strafe gibt. An jenem 20 . Mai hatte ich eigentlich einen Besuchstermin bei einem Freund, der in der Jugendvollzugsanstalt Halle/Saale wegen »Beschädigung sozialistischen Eigentums« eine

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