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Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert

Titel: Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina von Kleist
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Darin Sinn zu sehen, ist eine ständige Herausforderung. Wie die Forschung zeigt, sind wir kein Spielball im Schleuderkurs zwischen Auf und Ab, gleichwohl bleibt unser Lebenssinn in ein Geheimnis gehüllt. Manchmal ein bedrohlicher Zustand. Doch nicht alles ergründen, erklären, lenken zu können bewahrt uns die Fähigkeit zu staunen. »Ich mag Menschen, die das Unmögliche erwarten, wenn die Tür aufgeht.« Dieser Satz fällt mir oft ein, wenn ich Menschen treffe, die eben diese Gabe ausstrahlen: Sie sind offen für Wunder.
    Emily N.: »Manchmal habe ich das Gefühl zu schweben.«
    Etwa 30 Namen stehen auf dem Klingelschild, unter den Briefkästen überfluten Werbesendungen den Hauseingang, Schuhe und ausrangierter Hausrat verstellen die Treppenabsätze. Wer hier wohnt, ist jung oder zu arm, um in den herausgeputzten Teil von Friedrichshain zu ziehen. Binnen weniger Tage habe sie im Ostteil Berlins ihre Bleibe gefunden, nachdem sie kurz vor Semesterbeginn von ihrer Studienzulassung an der Humboldt-Uni erfuhr. Für Emily ist die befristet gemietete Wohnung, die sie bis zur Reiserückkehr eines Paares mit einer Mitbewohnerin teilt, eine Zwischenlösung. Seit zwei Monaten lebt die 22 -Jährige aus Hamburg in der schlecht beleuchteten Gärtnerstraße. Obwohl sie in vier Monaten wieder ausziehen muss, hat sie die vorgefundenen Möbel weitgehend in den Flur verbannt und ihr Zimmer zum Hinterhof mit eigenen Möbeln gemütlich bestückt.
    Überraschend schnell hat sie im Kiez Fuß gefasst. Als ich Emily nach neu gewonnenen Bekanntschaften frage, zählt sie über ein Dutzend Personen auf. Allenthalben liefen ihr nette Menschen über den Weg: In der Uni, in einer WG , in der sie sich vorgestellt hatte, auf Partys, kürzlich lernte sie an der Supermarktkasse eine junge Frau kennen, der wöchentliche Kontakt mit ihrer Kusine, die um die Ecke wohnt, schließe auch deren Wohngemeinschaft mit ein.
    Blond, schlank, mit dunkel umfasster Brille, kuschelt sich Emily während unserer beiden Gespräche entspannt in eine Wolldecke, während ich die Uhr im Blick behalte, da ich um ihre Zeitnot weiß und es fast als Zumutung empfinde, sie trotzdem als Interviewpartnerin einzuspannen. Da sie zum Freundeskreis meiner Nichte gehört, profitiere ich von einem Vertrauensvorschuss, aber ich achte auch mit einer gewissen Befangenheit darauf, dass ich ihre Intimsphäre nicht verletze. Wie immer im Austausch mit Emily fällt mir auf, dass sie selbst eine gute Zuhörerin ist. So gern und lebendig sie von sich erzählt, mehrmals flicht sie die Frage ein: »Und du?«
    Beim letzten Geburtstag war ich ganz unglücklich. Ich dachte: Jetzt werde ich schon 22 . Manchmal kriege ich Torschlusspanik, weil ich nach vier Semestern immer noch unsicher bin, ob mein Psychologiestudium das Richtige ist. Ich denke ständig über ein Zweitstudium nach, damit ich nur auf einen der Bereiche, die mich sonst noch interessieren, nämlich Medizin und Dokumentarfilm, verzichten muss. Ich habe Schiss, eine Fehlentscheidung zu treffen, das bringt viel Schwere in mein Leben. Im Grunde müsste ich mich ja gar nicht so drängen lassen, das ist wohl eine Charaktereigenschaft. Viele fragen mich: »Was sagt denn dein Bauch?« Aber in diesem Punkt habe ich kein Bauchgefühl, ich schreibe Pro-und-Contra-Listen und versuche, alles logisch abzuwägen. Dadurch geht Spontaneität verloren und auch Mut. Damit ich mich nicht entscheiden muss, packe ich meine Tage randvoll. Neben meinen Psychologieseminaren besuche ich eine Vorlesung in Medizin, in der Universität der Künste nehme ich an Filmschnittkursen teil. Nach meinem Vordiplom wäre es praktisch gewesen, etwas anderes auszuprobieren. Als ich mich letztes Jahr an der Filmhochschule in Babelsberg bewarb und in der Endrunde abgelehnt wurde, war ich erst sehr enttäuscht. Doch meine Enttäuschung hielt nicht lange an. Die Bewerbung hat viel Spaß gemacht, ich lernte einen Haufen netter Leute kennen. Außerdem finde ich die Begründung der Prüfungskommission, ich sei noch sehr theoriegeleitet, nicht verkehrt. Vielleicht bewerbe ich mich wieder, wenn ich die Ursachen meines Scheiterns behoben habe. Gerade mache ich an der UdK einen Experimentalfilm, das trainiert.
    Ich bin in Hamburg aufgewachsen, mein Vater ist selbständiger Lithograph, meine Mutter macht freiberuflich Pressearbeit. In meiner Grundschulzeit genoss ich es, Freundinnen zu besuchen, deren Mutter Hausfrau war. Man aß gemeinsam Mittag, nachmittags brachte uns die Mama

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