Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
Kekse und Apfelsaft ins Zimmer, ich war auf die Umsorgung oft richtig neidisch. Heute finde ich es besser, dass meine Mutter immer berufstätig war, auch wenn dadurch wenig Zeit für gemeinsame Unternehmungen blieb. Meine Eltern führen eine gleichberechtigte Partnerschaft, ich erlebe sie als glückliches Paar, sie ergänzen sich. Meine Mutter ist impulsiv, mein Vater ist ruhig und ausgeglichen, er fängt meine Mutter auf, wenn sie sich zu viel vornimmt. Man merkt auch, dass sie eine erotische Beziehung haben, sie knutschen und umarmen sich, das Körperliche haben sie nie versteckt. Wenn meine Eltern sich stritten, hatte ich früher Verlustängste. Ich dachte: Jetzt lassen sie sich scheiden, und ich habe mich eingemischt, um alles wiedergutzumachen.
In meiner Pubertät drehten sich ihre Dispute häufig um mich, auch ich hatte mit meinen Eltern heftige Auseinandersetzungen. Es ging meist darum, ob etwas ihre oder meine Entscheidung sei: Wie mein Zimmer aussieht, wann ich abends heimkomme, und ob ich eine schmutzige Tasse gleich in den Geschirrspüler stelle. Seit ich in einer WG wohne, verstehe ich besser, was sie nervte. Es stimmt ja: Wenn man alles sofort wegräumt, häuft sich nicht so viel an. Anstrengend ist es trotzdem.
Jetzt hätte ich manchmal gern einen Rat meiner Eltern, aber seit meinem Auszug mischen sie sich wenig in meine Entscheidungen ein. Ich habe ihnen mal vorgeworfen, dass sie mich so selten anrufen. Ich glaube, sie brauchen den regelmäßigen Kontakt nicht. Sie gehen davon aus, dass ich mich melde, wenn es mir nicht gut geht. Wenn wir uns sehen, nehmen wir uns oft in den Arm, wir können über alles reden, es gibt kein Tabu, auch wenn ich mir manchmal wünsche, dass sie aufmerksamer zuhören würden.
Insgesamt hatte ich eine schöne Kindheit. Toll war, wenn im Sommer meine Kusinen zu Besuch kamen und ich Gleichaltrige zum Spielen hatte. Dass meine Mutter schon einmal verheiratet war, habe ich erst mit etwa elf realisiert. Meine zehn Jahre ältere Halbschwester war mit mir sehr mütterlich. Ich denke, sie blieb zu Beginn ihres Studiums meinetwegen in Hamburg, damit sie mein Aufwachsen miterleben konnte. Es war immer ein Highlight, wenn ich am Wochenende bei ihr übernachten durfte, und sie als Brotbelag Eszet-Schokolade kaufte. Gefreut habe ich mich auf Weihnachten. Die Vorbereitungen sind zwar immer stressreich, meine Mutter hat einen hohen Anspruch, aber das Fest verläuft immer schön nach einem festen Ritual. Da der 24 . Dezember der Hochzeitstag meiner Eltern ist, gibt es zum Frühstück Lachs, meine Mutter bekommt einen Riesenstrauß Rosen, nachmittags treffen die Gäste ein. Unsere Familienrunde besteht aus mindestens 13 Personen, oft kommen noch Freunde mit. Zuerst singen wir bis das Glöckchen zum dritten Mal klingelt, dann endlich ist Bescherung und hinterher essen wir ausführlich. Für mich hat das enge Familienleben nur positive Seiten, der ständige Austausch mit Verwandten hat mich wahrscheinlich sehr geprägt. Ich wohne lieber in WG s, fühle mich allein schnell einsam. Ich will gar nicht dauernd mit meinen Mitbewohnern reden, aber ich mag es gern, wenn jemand da ist.
Unglücklich war ich früher über Veränderungen. Ich fand es schrecklich, als ich den Kindergarten und meine Tagesmütter wechselte, als ich eingeschult wurde und ins Gymnasium kam. Wegen unserer mehrmaligen Umzüge war ich jedes Mal allein die Neue. Ich war sehr schüchtern, habe mich oft untergeordnet, auch jetzt verstumme ich in Gruppen. Bergauf ging es, als ich in der siebten Klasse zwei Freundinnen fand. Mein Lieblingsaufenthaltsort war die Schule nie, aber ich bin schon ehrgeizig, die zehnte Klasse habe ich übersprungen, wobei meine Eltern Allgemeinbildung viel höher bewerten als ich. Man kann ein Allroundwissen gar nicht mehr erreichen. Dennoch, ich bin leistungsorientiert, brauche Anerkennung von außen, Lob verstärkt meine Motivation. Meine Eltern lesen immer abends vor dem Einschlafen, und ich tue das auch, am liebsten Belletristik. Man wird entführt in eine andere Welt, hat viel zum Nachdenken, man erlebt Dinge aus anderer Perspektive. Lesen macht glücklich, auch wenn viele Romane nicht fröhlich sind. Krimis lese ich nicht, sie färben auf meine Stimmung ab. Bei düsteren Romanhandlungen lese ich vor dem Einschlafen so lange, bis eine Passage kommt, die nicht mehr gruselig ist.
Als ich nach dem Abi von der ZVS (Zentrale Vergabestelle von Studienplätzen) Trier als Studienort zugewiesen bekam, war
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