Der Weg zur Hölle
jetzt passen Sie mal ganz genau auf: Die Köpfe Ihrer beiden Helden sind nicht einfach irgendwo abgelegt worden. Koss' Kopf lag auf dem Balkon eines Mannes, der seine Familie misshandelt hat und der in Ihrer Sendung aufgetreten war. Und wissen Sie was? Der Kopf von Medchenwunder lag bei einem Mann, der ebenfalls eine gescheiterte Familientherapie in Ihrer Sendung hinter sich hatte. Wir waren verblüfft, als er uns das gestern Nacht im Verhör sagte. Und auch dieser Mann hat gewaltig Dreck am Stecken! Das ist kein Zufall! Unser Täter bringt die einen um und führt uns zur gleichen Zeit zu Leuten, die nach seiner Meinung bestraft gehören. Er ist ein Moralist, verstehen Sie?«
Simmons verstand nicht.
»Auch gut. Sie müssen das nicht verstehen. Ist wahrscheinlich ohnehin alles Quatsch. Ich hab ja schon erwähnt, dass mein Stellvertreter eher von einer Drogengeschichte ausgeht, die sich so pompös wie möglich tarnt. Wie auch immer: Wir haben es hier mit einem Wiederholungstäter zu tun, der über Insider-Wissen verfügt. Vielleicht arbeitet er sogar bei Ihnen.«
Simmons hustete und schniefte.
»Ja sehen Sie«, fuhr Reemund ungerührt fort. »Es kann natürlich auch jemanden von außerhalb geben, der einiges über die Leute herausfinden konnte, die bei Ihrer Familienaufstellung mitgemacht haben, aber der Verdacht liegt schon nahe. Und darum werden wir Ihre Rechercheunterlagen über alle Familien, die in der Sendung waren, genau durchgehen, und sollten wir etwas finden, das meldepflichtig gewesen wäre, mache ich Sie fertig.«
Reemund schüttelte seinen Jackenärmel, aber es kam kein Wasser mehr heraus.
»Ach ja«, sagte er, schon im Gehen. »Wie heißt der Mann, den Medchenwunder als Redaktionsleiter verdrängt hat? Der, der für den Job angeblich nicht geeignet war?«
»Björn. Björn Kliesen. Er arbeitet noch hier. Eine Etage tiefer im Großraumbüro. Ganz hinten links am Fenster. Der Name steht am Schreibtisch.«
»Er arbeitet noch für Sie? Wirklich eine große Familie, wo keiner nachtragend ist. Sie sollten etwas gegen Ihren Schnupfen tun. Der wird nur schlimmer bei dem Klima hier.«
»Danke«, schniefte Simmons.
Reemund zeigte auf den Teppich.
»Der ist hin, fürchte ich.«
*
Auf dem Weg in die untere Etage zückte Reemund sein Mobiltelefon.
»Wedelbeck? Hören Sie mal nur zu und sagen garnichts. Ich brauche hier noch etwas länger, obwohl es mir schon bis sonstwo steht. Diese Koksmissionare! Aknezyniker! Positivdenker im Geldrausch! Yogaschwuchteln! Magersüchtige Meinungsmacher! Die nennen sich Journalisten, verdammte Scheiße!«
Er brüllte so laut, dass es mit Sicherheit in jeder Etage zu hören war.
»Was? Ich rege mich auf, soviel ich will, und Sie müssen sich das anhören! Finden Sie mir jemanden! Einen ehemaligen Redaktionsleiter! Noch vor Medchenwunder und vor einem Mann der Kliesen heißt. Keine Ahnung. Nach dem Namen hab ich nicht gefragt. Der ist schon vor Jahren hier weg. Ich will mit ihm reden. Und ja, der Chef dieser Sekte hier ist mit Sicherheit eine Koksnase. Aber ich glaube Ihre Theorie trotzdem noch nicht. Hören Sie auf zu grinsen. Ich kann das hören.«
Reemund klappte sein Telefon zu. Einen Moment lang sah es so aus, als wolle er es die Treppe runterschmeißen, doch dann steckte er das Gerät in die Tasche zurück und ging weiter.
Es dauerte eine Weile, bis ich ihm folgen konnte, was in erster Linie damit zu tun hatte, dass der Hund, wahrscheinlich irritiert von der Tatsache, dass nichts aus ihm heraus kam, an jedem Türrahmen das Bein hob. Dann roch er einen Moment dem erwarteten Ergebnis nach, nur um verstört von dessen Ausbleiben, winselnd zur nächsten Ecke zu krauchen.
Das arme Vieh! Ich hob es kurzerhand hoch, sagte ihm, wie böse das Pinkeln in geschlossenen Räumen sei, und schwebte Reemund hinterher.
*
»Warum ausgerechnet Björn?«
Den Anfang des Gespräches hatte ich verpasst.
Reemund saß in einem Massenbüro am Fenster, gegenüber einem Mann Mitte dreißig mit einer so dunklen Hautfarbe, wie man sie selbst in Afrika nur selten findet, und lachte.
Der Mann schien an diese Reaktion auf seinen Namen gewöhnt zu sein. Oder er war einfach nicht sehr nachtragend.
»Meine Mutter hat immer allein gelebt. In einem holsteinischen Dorf. Und Bürgerkriegswaisen zu adoptieren, war da oben nicht üblich. Schon garnicht für alleinstehende Frauen. Ich denke, es war aus Trotz. Sie hat mir mal erzählt, dass sie noch über Ole und Sven nachgedacht hatte. Glauben Sie
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