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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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Herrn Koss auf grausame Art umgebracht und es sich nicht nehmen lassen, ihn auf eine Weise zu demütigen, wie ich es in über dreißig Dienstjahren noch nie habe mit ansehen müssen.«
    »Natürlich, natürlich«, sagte Simmons und sein Lächeln verschwand. »Aweful!«
    »Reden Sie deutsch mit mir!«
    »Entschuldigung.«
    Ich lachte laut auf. Eigentlich wäre es an Reemund gewesen, sich für die unhöfliche Art der Befragung zu entschuldigen, aber der andere hatte der herrischen Respektlosigkeit des Kriminalisten nichts entgegenzusetzen.
    »Erzählen Sie mir etwas über Herrn Medchenwunder. Soweit ich es verstehe, war er Koss' rechte Hand?«
    »Er war der Redaktionsleiter, ja. Stephan war ein Naturtalent. Als er vor vier Jahren zu uns kam, damals noch als Praktikant, haben wir gleich gemerkt, dass er ein Händchen dafür hatte, geeignete Familien zu finden und zu überreden, Teil der Sendung zu werden. Er stieg rasch auf und bald leitete er die Redaktion. Vor ihm hatten nacheinander schon zwei andere Leute die Stelle innegehabt. Der erste Redaktionsleiter war Jahre lang bei uns. Eigentlich ein guter Mann, der aber irgendwann ein so massives Drogenproblem hatte, dass er gehen musste. Sein Nachfolger, nun sagen wir es mal so, war keine gute Wahl. Stephan erwies sich quasi als Glücksfall.«
    Reemund sah einen Moment lang so aus, als denke er nach, was durch den steten Strom von Wasser, das ihm aus den Haaren tropfte, etwas Kitschiges hatte.
    »Waren unter den Familien, die in Ihrer Sendung auftraten, viele mit Drogenproblemen?«
    »Natürlich, ja. Oft. Wie kommen Sie darauf?«
    »Mein Stellvertreter ist der Ansicht, dass das Thema in dem Fall eine Rolle spielt. Und ich gebe zu, auch wenn ich seine Ansicht nicht unbedingt teile, dass es sich trotzdem lohnt, dem nachzugehen.«
    »Verstehe«, sagte Simmons, schüttelte aber den Kopf und schniefte noch einmal.
    »Haben Sie oft Schnupfen?«
    »Ja, schon.«
    »Ach so«, sagte Reemund und lehnte sich zurück, was ein unappetitliches Schmatzen verursachte. Der Kommissar war wirklich sehr nass.
    »Sie haben gesagt, die Stelle des Redaktionsleiters war schlecht besetzt, bevor Herr Medchenwunder sie übernommen hat. Sah der Mitarbeiter, der die Position innehatte das genauso?«
    Der Firmenchef sah den Polizisten zweifelnd an.
    »Glauben Sie etwa, dass jemand wegen so etwas umgebracht wird?«
    »Ich habe seltsamere Motive erlebt. Warum glauben Sie denn, sind Ihre Mitarbeiter gestorben?«
    »Sie müssen bedenken, dass die Arbeit eines Journalisten nicht ungefährlich ist. Manchmal sogar gefährlicher als die der Polizei.«
    Reemund schnaubte verächtlich, und Simmons warf sich in die Brust, als wäre er Schwert und Schild der Freien Presse.
    »Formate wie unseres werden von Millionen Menschen gesehen, Herr Kommissar. Und jeder, der im Fernsehen zu sehen ist — noch dazu mit einem Anliegen — setzt sich einer dauerhaften Gefahr aus. Das ist unvermeidlich und Eduard Koss wusste das nur allzu gut. Beinahe jede Woche hat er Drohbriefe von Menschen bekommen, die seine Arbeit missverstanden haben, oder von Leuten, die in der Sendung gewesen waren und nun mit Problemen zu kämpfen hatten. Weil man sie ausgelacht hat zum Beispiel, oder weil sich andere Familienmitglieder durch unsere Arbeit aus ihrer Situation befreien konnten. Sie können sich nicht vorstellen, wie oft ich Koss mutlos und verängstigt erlebt habe. Und wissen Sie, was ihn aufrecht gehalten hat? Das waren all die Leute, die ihm hinterher gedankt haben und all die anderen freundlichen Briefe. Eduard hat sie jedes Mal laut in der Redaktion vorgelesen, oft mit Tränen in den Augen. Und da wir gerade dabei sind: Es ist ein Fakt, dass wir es häufig mit Menschen zu tun haben, gegen deren prekäre Verhältnisse weder der Staat noch die Polizei etwas unternimmt. Aber es ist nun mal das Los des Journalisten, gegen Windmühlen anzukämpfen. Gerade Sie müssten sowas verstehen.«
    Reemund betrachtete die Wasserlache auf dem Fußboden und sagte gereizt: »Wenn ich Ihren Teppich noch länger voll tropfe, ist er versaut.«
    Simmons wollte etwas sagen, doch der Kommissar kam ihm zuvor. Er knallte beide Hände auf den Schreibtisch, was eine neue Fontäne aus seiner Jacke schleuderte, die sich auf einen Stapel Papiere verteilte. Der Fernsehmann schreckte zurück. Alle Selbstsicherheit war dahin.
    »Wenn Sie unbedingt eine Grabrede für Koss sprechen wollen, warten Sie damit gefälligst bis zur Beerdigung!« Reemund beugte sich vor. »Und

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