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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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genüsslich darauf herum.
    »Wedelbeck?«, bellte er in sein Handy. »Ich bin hier fertig. Ja, weiß ich schon. Kolobcek. Wie? Warum Sie es dann raus kriegen sollten? Damit Sie auch mal was machen. Ich fahr jetzt nach Hause und dusche mir den Sushigestank ab. Und dann fahr ich bei diesem Kolobcek vorbei. Nein, das sollen Sie nicht. Mir ist heute nicht nach Teamarbeit. Was? Schnauze, Wedelbeck!«
    *
    Man kann das Reich der Toten als ein riesiges Archiv für Statistiken begreifen, das aber keine Möglichkeit hat, all die Berechnungen und Zählungen, die Tag für Tag gemacht werden, bekannt zu geben.
    Ein angepasster Geist geht, solange er will, irgendeiner Sache nach, und die einzigen, denen er das Resultat mitteilen könnte, sind andere Geister. Die hören aber für gewöhnlich nicht zu, weil sie gerade selber mit etwas ebenso Sinnlosem beschäftigt sind. Deshalb behalten wir unsere Beobachtungen meist für uns.
    Wenn es doch mal geschieht, dass wir uns austauschen, dann für gewöhnlich, wenn mehrere Geister zufällig zusammentreffen. Das ist dann ungefähr so spannend wie eine Gruppe Lebender an einem lauen Sommerabend, die ins Feuer glotzen, als wäre es ein Kneipenfernseher und sich je nach Altersdurchschnitt entweder über die Möglichkeit austauschen, dass unser Universum nur ein Fingernagel eines intergalaktischen Riesen ist, oder über die Weltverschwörung des internationalen Bankenwesens, oder noch schlimmer, über die letzte Chance, ein neues Leben anzufangen. Wir sitzen nur herum, werfen uns Statistiken an den Kopf, und es finden sich noch nicht einmal irgendwelche Pärchen zusammen, um sich knutschend ins Dunkel zurückzuziehen.
    Ich habe mich geraume Zeit neben all meinen anderen Beschäftigungen in einer Art Langzeitstudie mit der Frage befasst, was für eine Rolle die Angst um die eigene Sicherheit beim Kauf eines Autos spielt.
    »War ja klar«, nörgelte mein Therapeut, als ich den Fehler begangen hatte, ihm eines Tages davon zu erzählen. »Wenn es nach Ihnen ginge, würden wir uns alle gegenseitig in Handwagen über die Autobahn rollen. Und Busse schaffen wir auch gleich ab. Und Flugzeuge, Züge, Schiffe. Fortbewegung wie im Kindergarten. Wie wäre es mit einem langen Band? Vorn zieht ein Großer und wer mit will, muss in eine Schlaufe greifen. Das würde Ihnen gefallen, stimmts?«
    Ich gab zu, dass dem so wäre, und er schnaubte verächtlich.
    »Machen Sie sich mal klar, wie es auf unserer Seite aussähe, wenn es keine tödlichen Unfälle mehr gäbe. Und am besten auch keine gefährlichen Krankheiten mehr. Die Menschen müssten ihr kümmerliches Leben bis zur Altersentsorgung durchhalten, wenn sie nicht das Glück hätten, vorher ermordet zu werden wie Sie! Im Totenreich kämen nur noch altkluge Nervensägen an, die eine Menge nutzlosen Quatsch im Langzeitgedächtnis hätten, und selbst davon nur noch die unwichtigen Fetzen. Das müsste man sich dann den ganzen Tag lang anhören. Die einzige Ausnahme wären Selbstmörder, und die sehen so alt aus, wie die anderen reden.«
    Ich glaube, das war das erste mal, dass ich ihn Arschloch nannte. Viele Male sollten noch folgen, aber was half das schon bei jemandem, dem das gefiel?
    Später, als ich mir das Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen ließ, musste ich mir zu meiner Schande eingestehen, dass mich weniger seine Haltung zu Unfällen oder Krankheiten gestört hatte, sondern in erster Linie die Tatsache, dass er Ermordetwerden für ein Glück hielt.
    Wie dem auch sei, die Lust an meiner Langzeitstudie war mir daraufhin vergangen, und das meiste hab ich inzwischen vergessen.
    An jenem Morgen, im Auto mit Reemund fiel mir plötzlich eine Sache wieder ein, die mir bei meinen Beobachtungen damals aufgefallen war.
    Ich bin fest davon überzeugt, dass nichts auf der Welt die Autounfallstatistik derartig senken würde, wie ein automatischer Wäschetrockner im Fahrersitz.
    Es ist ein leicht zu beweisender Fakt, dass die meisten Leute bei starkem Regen so fahren, als müssten sie durch das Wetter laufen. Den Kopf gesenkt, gestresst, nur darauf bedacht, schnell anzukommen, als würde es reinregnen. Es gibt nur einen Grund, den ich für plausibel genug halte, dieses merkwürdige Verhalten zu erklären: der Ekel davor, sich mit nassen Sachen in ein Auto zu zwängen.
    Bei Reemund lag die Sache anders. Als er losfuhr, tropfte er schon wieder wie eine üppig gewässerte Blumenampel. Da hätte er doch eigentlich anständig fahren können. Tat er aber nicht.
    Bei

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