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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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mich in den letzten Tagen mehr als ausreichend davon überzeugen können, dass Reemund tatsächlich so asozial war, wie sein Ruf vermuten ließ, aber es hatte mich nicht sonderlich gestört. Im Gegenteil. Es erwies sich als durchaus unterhaltsam. Jetzt war ich sauer auf ihn, weil er nicht jede freie Minute dazu nutzte, dem Herrgott, dem Schicksal oder von mir aus auch dem großen Erdmagneten dafür zu danken, von dieser Frau geliebt zu werden.
    *
    Stanislaus Kolobcek roch genauso abgestanden, wie seine Wohnung.
    Er konnte nicht älter als dreißig sein, aber er strahlte dieselbe Energielosigkeit aus, wie ein vom Leben gebeutelter, enttäuschter alter Mann. Er war das, was mein Ex-Therapeut gern abfällig als »gefallener Stolz auf dünnen Beinen« bezeichnete.
    Ich war mir fast sicher, dass dieser Mann vor noch nicht allzu langer Zeit mit der Arroganz seiner ganzen Generation und der festen Überzeugung durchs Leben stolziert war, er würde nie auf die Hilfe anderer, gar des Staates angewiesen sein.
    Jetzt, da er selbst in dieser Lage steckte, hatte er sich in genau das Klischee verwandelt, das seiner Vorstellung zufolge einen typischen Arbeitslosen ausmachte. Ein Opfer der eigenen Geisterbeschwörung.
    Für den Hund war die Wohnung ein olfaktorisches Paradies. Er lief von einem der Teller mit getrockneten Essensresten, die sorgsam verteilt auf dem Boden herumstanden, zum nächsten und bellte fröhlich.
    Ich hingegen hatte mich in die hinterste Ecke zurückgezogen, um nur ja nichts berühren zu müssen.
    »Na dann lassen Sie mal hören«, sagte Reemund, schob einen Haufen übereinander gestapeltes Papier aus einem Sessel und setzte sich gänzlich ungeniert, obwohl ihn niemand dazu aufgefordert hatte.
    Der Hausherr sah ihn aus trüben Augen an.
    »Wollen Sie einen Kaffee? Ist aber von vorgestern.«
    »Ich habs nicht so mit dem Datum.«
    Kolobcek nickte und ging in die Küche. Dabei hob er einen Teller mit Essensresten auf: Ein Pinselstrich der Achtung in einem missratenen Selbstportrait.
    Der Hund knurrte und lief ihm hinterher. Ich ließ ihn gewähren.
    Kolobcek kam mit einer Tasse wieder, die lange nicht abgewaschen worden war und reichte sie Reemund.
    »Sie wollen keinen?«, fragte der Kommissar.
    »Ich trinke keinen kalten Kaffee.«
    Reemund nahm einen Schluck. Was man auch immer Schlechtes über ihn sagen konnte: zimperlich war er nicht.
    »Ich wette, das Zeug war schon frisch nicht zu gebrauchen.«
    »Was meinen Sie, warum noch so viel übrig ist?«
    »Erzählen Sie mir was über SIKOmedia. Ich meine, irgendwas, dass nicht wie eine Lobrede klingt.«
    Der junge Mann schaute auf seine Füße, die in abgewetzten Socken steckten. Nach einer Weile sah er auf.
    »Wissen Sie, dass ich lachen musste, als ich das Foto von Ihnen und dem Kopf von Koss gesehen habe?«
    »Wirklich? Mir war in dem Moment nicht nach Lachen zumute.«
    »Trotzdem. Ich wette, die Presse liebt Sie dafür. Und ich kann mir vorstellen, der Mörder tuts auch.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na, der Täter, der das alles so hinbaut, muss doch ein Idiot sein. Ich meine, wenn er glaubt, dass man sein Werk im Fernsehen oder in der Zeitung abbildet. Ich meine, na klar, die paar Leute in Marzahn haben es gesehen, aber was ist das schon bei jemandem, der landesweit bekannt ist? Aber als Sie, der ermittelnde Beamte, das Bild adelten, indem Sie den Kopf nochmal hingelegt haben, da durfte man es plötzlich zeigen. Natürlich mit empörten Zuschriften im Schlepptau, wie pietätlos und inkompetent die Polizei ist, aber ich wette, bei den Presseleuten haben Sie jetzt einen Stein im Brett.«
    »Da scheißt der Hund drauf.«
    Der tat das im Übrigen gerade wirklich. Mitten in die winzige Küche. Es gibt natürlich keine Geisterexkremente. Wo sollte die Masse auch herkommen? Aber es widerte mich trotzdem an. Ich musste mit dem Tier über Stubenreinheit sprechen, sobald ich mich irgendwo befand, wo ich mich ohne Ekel bewegen konnte.
    »Sie mochten Eduard Koss also nicht besonders?«
    »Darf ich Ihnen eine Gegenfrage stellen?«
    »Wenn Sie es darauf anlegen, meine Zeit zu verschwenden.«
    »Man hat Ihnen in der Firma doch bestimmt den ganzen Phrasenmüll über Journalismus und die große Familie an den Kopf geschmissen, oder?«
    »War das Ihre Frage?«
    »Glauben Sie, dass die an all das glauben?«
    Kolobcek sprach von seinen ehemaligen Kollegen, als wäre er nie einer der Ihren gewesen, besonders wichtig sogar, wenn ich mir die Arbeit als Redaktionsleiter richtig

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