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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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Bauern wollen uns nur etwas lächerlich machen – wir aber verteidigen eine dreifache Ehre –, das erhöht unsere Stoßkraft.
    Der Vorsteher, der Gemeindeschreiber und ein paar knotige Bauern sitzen uns gegenüber. Sie sind scheinbar die wetterfestesten Säufer. Mit leichtem, bauernschlauem Grinsen stoßen sie mit uns an. Willy tut so, als ob er schon munter wäre. Das Grinsen rundum verstärkt sich.
    Wir schmeißen selbst eine Runde Bier mit Schnaps. Darauf hagelt es sieben weitere Runden von den andern. Die Bauern glauben, dass wir damit erledigt wären. Einigermaßen verblüfft sehen sie uns ungerührt die Gläser kippen. Eine gewisse Anerkennung schimmert in den Blicken, mit denen sie uns mustern. Willy bestellt mit unbewegtem Gesicht eine neue Runde. »Aber kein Bier, nur große Schlucks!«, ruft er dem Wirt zu.
    »Donnerwetter, nur Schnaps?«, fragt der Gemeindevorsteher.
    »Natürlich, sonst sitzen wir bis morgen früh«, bemerkt Willy ruhig, »von dem Bier wird man ja jedes Mal wieder nüchtern!« In den Augen des Vorstehers wächst das Staunen. Mit unsicherer Stimme versichert einer der Bauern, dass wir verdammt supen könnten. Zwei andere stehen schweigend auf und verschwinden. Einige unserer Gegner versuchen bereits, die Gläser verstohlen unter den Tisch zu schütten. Aber Willy achtet darauf, dass keiner sich drückt. Er zwingt ihnen die Hände auf den Tisch und die Gläser in den Rachen. Das Grinsen hat aufgehört. Wir gewinnen Boden.
    Nach einer Stunde liegen die meisten mit käsigen Gesichtern in der Bude herum oder torkeln kleinlaut nach draußen. Die Gruppe am Tisch ist bis auf den Vorsteher und den Schreiber zusammengeschmolzen. Ein Duell zwischen den beiden und uns beginnt. Wir sehen zwar auch schon doppelt, aber die beiden lallen längst, das gibt uns neue Kraft.
    Nach einer halben Stunde, in der wir alle rote Köpfe gekriegt haben, holt Willy zum Hauptschlage aus.
    »Vier Wassergläser voll cognac«, brüllt er zur Theke.
    Der Vorsteher prallt zurück. Die Gläser kommen. Willy klemmt zwei davon den beiden zwischen die Finger. »Prost!«
    Sie stieren uns an. »Aussaufen!«, ruft Willy mit funkelndem Schädel. »Los, auf einen Schlag!« Der Schreiber will abwehren, aber Willy lässt nicht nach. »In vier Schlucken«, bittet der Vorsteher bereits sehr kleinlaut. »In einem Schluck«, beharrt Willy, steht auf und klappt sein Glas gegen das des Schreibers. Ich springe ebenfalls hoch. »Los! Prost! Ex! Auf Ihr Spezielles!«, brüllen wir die verdutzten beiden an.
    Wie Kälber, die zur Schlachtbank sollen, sehen sie uns an und nehmen einen Schluck. »Weiter! Wollt ihr kneifen?«, heult Willy. »Aufstehen!« Sie torkeln hoch und trinken. Verschiedentlich versuchen sie zu unterbrechen, aber wir bölken auf sie ein, zeigen ihnen unsere Gläser, »Prost!« »Rest!« »Weg damit!«, und sie schlucken alles herunter. Dann rutschen sie mit verglasten Augen langsam, aber sicher zu Boden. Wir haben gesiegt; im langsamen Trinken hätten sie uns vielleicht untergekriegt; aber auf das schnelle Kippen sind wir trainiert, und es war unsere Chance, ihnen unser Tempo aufzuzwingen.
    Taumelnd und stolz überblicken wir das Schlachtfeld. Keiner außer uns steht mehr. Der Briefträger, der gleichzeitig Wirt ist, hat den Kopf auf die Theke gestützt und weint um seine Frau, die im Wochenbett gestorben ist, während er im Felde war. »Martha, Martha«, schluchzt er mit einer seltsam hohen Stimme. Das soll er immer um diese Zeit machen, erzählt uns das Schenkmädchen. Das Weinen sticht uns in die Ohren. Es wird auch Zeit, dass wir rauskommen.
    Willy schnappt sich den Vorsteher, ich mir den leichteren Schreiber, und wir schleppen sie nach Hause. Das ist unser letzter Triumph. Den Schreiber legen wir vor die Haustür und klopfen, bis Licht gemacht wird. Der Vorsteher aber wird schon erwartet. Seine Frau steht in der Tür.
    »Herr Jesus«, kreischt sie, »die neuen Lehrer! So jung und schon solche Säufer! Das kann ja noch gut werden!«
    Willy versucht, ihr zu erklären, dass es sich um eine Ehrensache gehandelt habe, verhaspelt sich jedoch.
    »Wo sollen wir ihn hinbringen?«, frage ich schließlich.
    »Lasst den Saufkopp da man liegen«, entscheidet sie. Wir packen ihn auf ein Sofa. Dann verlangt Willy, kindlich lächelnd, Kaffee. Die Frau sieht ihn an wie einen Hottentotten.
    »Wir haben Ihnen doch Ihren Mann wiedergebracht«, erklärt Willy strahlend. Vor so viel unbewusster Frechheit kapituliert selbst die harte Alte.

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