Der Weg zurück
Sie schenkt uns kopfschüttelnd ein paar große Tassen Kaffee ein und gibt uns dabei gute Lehren. Wir sagen zu allem ja, das ist das Beste um diese Zeit. –
Von diesem Tage an gelten wir im Dorf als Männer und werden mit Achtung begrüßt.
II
Einförmig und gleichmäßig gehen die Tage hin. Morgens vier Stunden Schule, nachmittags zwei – aber dazwischen die endlos sich dehnende Zeit des Herumsitzens und Herumlaufens, allein mit sich und seinen Gedanken.
Am schlimmsten sind die Sonntage. Wenn man da nicht in den Kneipen sitzen will, ist es einfach nicht zum Aushalten. Der Hauptlehrer, der außer mir da ist, wohnt seit dreißig Jahren hier und ist in dieser Zeit ein erstklassiger Schweinezüchter mit vielen Preisen geworden. Aber über etwas anderes kann man mit ihm kaum reden. Wenn ich ihn ansehe, möchte ich am liebsten sofort ausreißen; so abschreckend ist der Gedanke, auch einmal so zu werden.
Dann ist noch eine Lehrerin da, ein braves, ältliches Geschöpf, das zusammenzuckt, wenn man mal »Verflucht und zugenäht« sagt. Auch nicht gerade aufmunternd.
Willy findet sich besser hinein. Er geht als Respektsperson auf alle Hochzeiten und Kindtaufen. Wenn die Pferde Kolik haben oder die Kühe nicht kalben wollen, hilft er den Bauern mit Rat und Tat. Und abends sitzt er mit ihnen in den Wirtschaften und zieht ihnen beim Skat das Fell über die Ohren.
Aber ich will nicht mehr in den Kneipen liegen, ich bleibe lieber in meinem Zimmer. Doch die Stunden werden da lang und oft kriechen seltsame Gedanken aus den Winkeln – wie blasse, fahle Hände, die winken und drohen, Schatten eines gespenstischen Früher, sonderbar verwandelt. Erinnerungen, die wieder emporsteigen, graue, wesenlose Gesichter, Klage und Anklage. –
An einem trüben Sonntag stehe ich früh auf, ziehe mich an und gehe zur Bahn, um Adolf Bethke zu besuchen. Das ist ein guter Plan – ich kann wieder einmal mit einem Menschen, der mir wirklich nahesteht, zusammensitzen, und der langweilige Sonntag ist herum, wenn ich zurückkomme.
Nachmittags komme ich an. Die Pforte quietscht. Der Hund in der Hütte bellt. Ich gehe rasch die Allee von Obstbäumen entlang. Adolf ist zu Hause. Seine Frau ist auch da. Als ich eintrete und Adolf die Hand gebe, geht sie hinaus. Ich setze mich hin. Nach einer Weile sagt er: »Du wunderst dich wohl, Ernst, was?«
»Warum, Adolf?«
»Weil sie wieder im Hause ist.«
»Nein – das musst du doch selbst wissen.«
Er schiebt mir eine Schüssel mit Obst hin. »Willst du einen Apfel?« Ich nehme einen und biete ihm eine Zigarre an. Er beißt die Spitze ab und fährt fort: »Sieh, Ernst, ich hab hier gesessen und gesessen und bin halb verrückt dabei geworden. Wenn du allein bist, ist so ein Haus was Schreckliches. Du gehst durch die Zimmer – da hängt noch eine Bluse von ihr, da sind ihre Nähsachen, da ist der Stuhl, auf dem sie immer saß und nähte – und abends, da steht das zweite Bett so weiß und verlassen neben dir herum, du siehst alle Augenblicke rüber und wälzst dich hin und her und kannst nicht schlafen – da geht dir manches durch den Kopf, Ernst. –«
»Glaub’s schon, Adolf. –«
»Und dann rennst du raus und säufst und machst Unsinn. –« Ich nicke. Die Uhr tickt. Der Ofen knistert. Die Frau kommt still herein und stellt Brot und Butter auf den Tisch. Dann geht sie wieder. Bethke streicht über die Tischdecke.
»Ja, Ernst, und so ist es ihr ja schließlich auch gegangen, sie hat auch so herumgesessen, all die Jahre durch und hat dagelegen und Angst gehabt und ist ungewiss gewesen und hat gegrübelt und gehorcht – und dann ist es schließlich gekommen, sicher hat sie es erst gar nicht gewollt, aber als es dann da war, da wusste sie sich nicht mehr zu helfen, und so ist es weitergegangen.« Die Frau kommt und bringt Kaffee. Ich will ihr guten Tag sagen, doch sie sieht mich nicht an.
»Willst du nicht für dich auch eine Tasse holen?«, fragt Adolf. »Ich muss noch in die Küche«, sagt sie. Sie hat eine leise, tiefe Stimme.
»Ich habe hier gesessen und mir gesagt, du hast deine Ehre gewahrt, du hast sie rausgeschmissen. Aber was hast du von der Ehre, das ist so eine Redensart, du bist allein, und mit und ohne Ehre wird das nicht besser. Da habe ich dann gesagt, sie könne hier bleiben, was soll das alles auch, man ist doch müde und lebt bloß die paar Jahre, und wenn man es nicht gewusst hätte, wäre es doch auch so geblieben. Wer weiß, was man machen würde, wenn man immer alles
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