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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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vor sich her. Der Zug rast mit erleuchteten Fenstern vorüber, einen Atemzug lang sind die Abteile mit ihren Koffern und Schicksalen ganz nahe, dann fegen sie weiter, die Schienen glänzen wieder im nassen Licht, und aus der Ferne nur noch starrt die rote Schlusslampe des Zuges wie ein glühendes Auge drohend her.
    Ich sehe den Mond hell und gelb werden, ich laufe durch die blaue Dämmerung der Birkenwälder, Regentropfen sprühen mir von den Zweigen ins Genick, ich stolpere über Wurzeln und Steine, und der Morgen graut bleiern, als ich zurückkomme. Die Lampe brennt noch – verzweifelt blicke ich mich im Zimmer um – nein, das halte ich nicht aus, dazu muss man zwanzig Jahre älter sein, um sich so bescheiden zu können. –
    Müde und erschöpft versuche ich, mich auszuziehen. Es gelingt mir nicht mehr. Aber noch im Einschlafen presse ich die Fäuste zusammen – ich will nicht nachlassen – noch will ich es nicht aufgeben. –
    Dann sinke ich wieder sausend in den Raum ohne Grenzen – – –
    – – – und schiebe mich vorsichtig weiter. Langsam, einen Zentimeter und noch einen. Die Sonne brennt auf die gelben Hänge, der Ginster blüht, die Luft ist heiß und still, Fesselballons und weiße Flakwölkchen hängen am Horizont. Vor meinem Stahlhelm schwanken die roten Blätter einer Mohnblüte.
    Ein ganz schwaches, kaum vernehmliches Scharren kommt gegenüber, hinter dem Gebüsch hervor. Dann ist es wieder ruhig. Ich warte weiter. Ein Käfer mit grüngoldenen Flügeln kriecht vor mir einen Kamillenstängel hoch. Seine Fühler tasten die zackigen Blätter ab. Wieder weht ein leichtes Geräusch durch den Mittag. Jetzt taucht ein Helmrand hinter dem Gebüsch auf. Eine Stirn darunter, helle Augen, ein fester Mund – prüfend gehen die Augen über die Landschaft und kehren zu einem weißen Papierblock zurück. Der Mann zeichnet ahnungslos eine Skizze von der Ferme drüben.
    Ich ziehe die Handgranate heran. Es dauert lange. Endlich liegt sie neben mir. Mit der linken Hand reiße ich sie ab und zähle lautlos. Dann schleudere ich sie in flachem Bogen gegen das Brombeergestrüpp und rutsche rasch in mein Loch zurück, presse den Körper dicht an den Boden, drücke das Gesicht ins Gras und öffne den Mund. Der Krach der Explosion zerreißt die Luft, Splitter schwirren, ein Schrei steigt auf, lang gedehnt, rasend vor Entsetzen. Ich habe die zweite Granate in der Hand und luge über die Deckung. Der Engländer liegt jetzt frei auf dem Boden, die Unterschenkel sind weggefetzt, das Blut strömt heraus. Lang aufgerollt hängen die Streifen der Wickelgamaschen hinter ihm wie lose Bänder, er liegt auf dem Bauch, mit den Armen rudert er durch das Gras, der Mund ist weit offen und schreit.
    Er wirft sich herum und sieht mich. Da stemmt er die Arme auf und bäumt sich hoch wie ein Seehund, er schreit mich an und blutet, blutet –. Dann wird das rote Gesicht fahl und fällt zusammen, der Blick zerbricht, und Augen und Mund sind nur noch schwarze Höhlen eines einstürzenden Antlitzes, das langsam sich zur Erde neigt, einknickt und in die Kamillenbüsche sinkt. Erledigt.
    Ich schiebe mich fort und will zurückschleichen zu unseren Gräben. Aber ich sehe mich noch einmal um – da ist plötzlich der Tote wieder lebendig geworden, er richtet sich auf, als wollte er hinter mir herlaufen. – Ich ziehe die zweite Handgranate ab und werfe sie ihm entgegen. Sie fällt einen Meter neben ihm herunter, rollt aus, liegt – ich zähle, zähle – warum explodiert sie denn nicht? – Der Tote steht jetzt, er bleckt die Zähne, ich werfe die nächste Handgranate – auch sie versagt – jetzt macht der drüben schon ein paar Schritte, auf seinen Stümpfen läuft er, grinsend, die Arme nach mir ausgestreckt – ich werfe die letzte Handgranate – sie fliegt ihm gegen die Brust, er wischt sie fort – da springe ich auf, um wegzurennen, aber die Knie versagen mir, sie sind weich wie Butter, unendlich langsam ziehe ich sie vorwärts, ich klebe am Boden fest, ich zerre, ich werfe mich vorwärts, schon höre ich das Keuchen des Verfolgers, ich reiße mit den Fäusten an meinen nachgebenden Beinen – aber von hinten schließen sich zwei Hände um meinen Nacken, drücken mich zurück, auf den Boden, der Tote kniet auf meiner Brust, er greift die nachschleifenden Wickelgamaschen aus dem Gras und dreht sie mir um den Hals. Ich drücke den Kopf weg, ich spanne alle Muskeln an, ich werfe mich nach rechts, um der Schlinge zu entgehen – da, ein

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