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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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stehen. »Lassen Sie nur weiterschießen, Oberleutnant Heel!«, ruft er zum Rathaus hinüber. Damit geht er vorwärts und beugt sich zu dem am Boden Liegenden herunter.
    Wir sehen einen Offizier die Treppe verlassen. Ohne es recht zu wissen, stehen wir plötzlich neben Ludwig und erwarten den Kommenden, der als Waffe nur einen Spazierstock trägt. Er zaudert keinen Augenblick, obschon wir jetzt zu dritt sind und ihn wegschleppen könnten, wenn wir wollten, denn seine Soldaten würden nicht zu schießen wagen, aus Furcht, ihn treffen zu können.
    Ludwig richtet sich auf. »Ich gratuliere Ihnen, Oberleutnant Heel. Der Mann ist tot.«
    Ein Blutstreifen läuft unter dem Rock des Toten hervor und sickert in die Furchen zwischen den Pflastersteinen. Neben der rechten Hand, die dünn und gelb aus dem Ärmel gerutscht ist, sammelt er sich zu einer Blutlache, die sich schwarz im Mondlicht spiegelt.
    »Breyer«, sagt Heel.
    »Wissen Sie, wer es ist?«, fragt Ludwig.
    Heel sieht ihn an und schüttelt den Kopf.
    »Max Weil.«
    »Ich habe ihn laufen lassen wollen«, sagt Heel nach einer Weile, fast nachdenklich.
    »Er ist tot«, antwortet Ludwig.
    Heel zuckt die Achseln.
    »Es war unser Kamerad«, fährt Ludwig fort.
    Heel antwortet nicht.
    Ludwig sieht ihn kalt an. »Ein sauberes Handwerk!«
    Da rührt Heel sich. »Darauf kommt es nicht an«, sagt er ruhig, »nur auf das Ziel, Ruhe und Ordnung.«
    »Ziel –«, erwidert Ludwig verächtlich, »seit wann entschuldigen Sie sich? Ziel! Sie brauchen Beschäftigung – das ist alles. Ziehen Sie Ihre Leute zurück, damit nicht weitergeschossen wird!«
    Heel macht eine ungeduldige Bewegung. »Meine Leute bleiben. Wenn sie zurückgingen, würden sie morgen von einem zehnfachen Trupp überfallen werden. Das wissen Sie doch selbst. In fünf Minuten besetze ich die Straßenmündungen. Bis dahin haben Sie Zeit, den Toten wegzubringen.«
    »Packt an«, sagt Ludwig zu uns. Dann wendet er sich noch einmal zu Heel. »Wenn Sie jetzt abziehen, wird niemand Sie angreifen. Wenn Sie bleiben, wird es neue Tote geben. Durch Sie! Wissen Sie das?«
    »Das weiß ich«, antwortet Heel kalt.
    Eine Sekunde stehen wir uns noch gegenüber. Heel sieht uns der Reihe nach an. Es ist ein sonderbarer Moment. Etwas zerbricht.
    Dann nehmen wir den nachgebenden Körper Max Weils und tragen ihn fort. Die Straßen sind wieder voll Menschen. Eine breite Gasse öffnet sich uns, als wir kommen. Schreie fliegen auf: »Noskehunde! Blutpolizei! Mörder!« Aus dem Rücken Max Weils tropft das Blut.
    Wir bringen ihn in das nächste Haus. Es ist die Holländische Diele. Ein paar Sanitäter sind schon da und verbinden zwei Leute, die auf dem Tanzparkett liegen. Eine Frau mit blutiger Schürze stöhnt und will immerfort nach Hause. Sie haben Mühe, sie festzuhalten, bis eine Tragbahre geholt wird und ein Arzt kommt. Sie hat einen Bauchschuss. Neben ihr liegt ein Mann, der noch seine alte Militärjoppe anhat. Beide Knie sind ihm durchschossen worden. Seine Frau kniet bei ihm und jammert: »Er hat doch gar nichts getan! Er ist doch nur so vorbeigegangen! Ich habe ihm ja bloß sein Essen gebracht!« Sie zeigt auf den grauemaillierten Henkeltopf. »Nur sein Essen. –«
    Die Tänzerinnen der Holländischen Diele haben sich in eine Ecke gedrückt. Der Geschäftsführer läuft aufgeregt hin und her und fragt, ob man die Verletzten nicht anderswo hinbringen könne. Sein Geschäft werde ruiniert, wenn es sich herumspräche. Kein Gast würde mehr tanzen wollen. Anton Demuth in seiner goldenen Portiersuniform hat eine Flasche cognac geholt und hält sie dem Verwundeten an den Mund. Der Geschäftsführer sieht entsetzt zu und macht ihm Zeichen. Anton lässt sich nicht stören. »Glaubst du, dass ich die Beine behalte?«, fragt der Verletzte, »ich bin Chauffeur!«
    Die Tragbahren kommen. Draußen knattern wieder Schüsse. Wir springen auf. Johlen, Geschrei und das Klirren von Scheiben folgt. Wir laufen hinaus. »Reißt das Pflaster auf!«, ruft jemand und haut eine Spitzhacke in die Steine. Matratzen werden herabgeworfen, Stühle, ein Kinderwagen. Vom Platz her blitzen Schüsse. Von den Dächern knallt es jetzt zurück.
    »Laterne aus!« Ein Mann springt vor und wirft einen Backstein hinein. Sofort ist es dunkel. »Kosole!«, ruft Albert. Er ist es. Valentin ist bei ihm. Wie ein Strudel haben die Schüsse alle herangezogen. »Ran. Ernst, Ludwig, Albert!«, brüllt Kosole, »die Schweine schießen auf Frauen!«
    Wir liegen in Haustüren,

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