Der Weg zurück
zu und betrachte ihn, wie er mit trüben Augen dasitzt und Worte hervorstößt und trinkt: Adolf Bethke, der umsichtigste, beste Soldat, der treueste Kamerad, der vielen geholfen und so manche gerettet hat. Schutz und Trost, Mutter und Bruder oft für mich draußen, wenn die Leuchtschirme flatterten, und die Nerven von Angriff und Tod zerrissen waren – Seite an Seite haben wir geschlafen in den nassen Stollen, und er hat mich zugedeckt, als ich krank war, alles konnte er, immer wusste er Rat – hier aber hängt er im Drahtverhau und zerreißt sich Hände und Gesicht, und seine Augen sind schon trübe geworden. –
»Mensch, Ernst«, sagt er mit trostloser Stimme, »wären wir doch draußen geblieben – da waren wir wenigstens zusammen.« Ich antworte nicht – ich sehe nur meinen Ärmel an, auf dem ein paar rötlich verwaschene Blutflecken sitzen. Es ist das Blut von Weil, der auf Kommando von Heel erschossen wurde. So weit sind wir jetzt. Es ist wieder Krieg; aber die Kameradschaft ist nicht mehr.
IV
Tjaden feiert Hochzeit mit der Pferdemetzgerei. Das Geschäft hat sich zu einer wahren Goldgrube entwickelt, und Tjadens Neigung zu Mariechen ist in gleichem Maße gewachsen.
Morgens fährt das Brautpaar in einer schwarz lackierten, mit weißer Seide ausgeschlagenen Kutsche zur Trauung, vierspännig natürlich, wie es für ein Unternehmen, das von Pferden lebt, gehört. Willy und Kosole sind als Trauzeugen bestimmt. Willy hat sich zu diesem feierlichen Anlass ein Paar weiße Handschuhe aus echter Baumwolle gekauft. Das hat viel Mühe gekostet. Karl musste zunächst ein halbes Dutzend Bezugscheine besorgen, und dann ging zwei Tage lang das Suchen los – denn kein Geschäft hatte Willys Größe vorrätig. Doch es hat sich gelohnt. Die kalkweißen Säcke, die er schließlich erwischt hat, wirken überwältigend zu dem frisch gefärbten cut. Tjaden ist im Frack, Mariechen im Brautkleid mit Schleppe und Myrtenkranz.
Kurz vor der Abfahrt zum Standesamt gibt es noch einen Zwischenfall. Kosole kommt an, sieht Tjaden im Frack und kriegt einen Lachkrampf. Kaum ist er einigermaßen wieder zu sich gekommen und wirft erneut einen Blick zur Seite, wo Tjadens abstehende Ohren über dem hohen Kragen schimmern, da geht es abermals los. Es hilft nichts, er würde mitten in der Kirche losbrüllen und die ganze Trauung gefährden – deshalb muss ich im letzten Moment als Trauzeuge einspringen.
Die ganze Pferdemetzgerei ist festlich geschmückt. Am Eingang stehen Blumen und junge Birken, und sogar der Schlächterraum hat eine Girlande aus Tannenreisern, auf denen Willy unter großem Beifall ein Schild »Herzlich Willkommen« anbringt.
Selbstverständlich gibt es kein Stück Pferdefleisch bei Tisch; bestes Schweinefleisch dampft in den Schüsseln, und ein riesiger Kalbsbraten steht aufgeschnitten vor uns.
Nach dem Kalbsbraten zieht Tjaden seinen Frack aus und legt den Kragen ab. Das ermöglicht Kosole, besser einzuhauen, denn bislang durfte er nicht zur Seite blicken, ohne sich der Gefahr eines Erstickungsanfalles auszusetzen. Wir folgen Tjadens Beispiel und es wird gemütlich.
Nachmittags verliest der Schwiegervater ein Dokument, das Tjaden zum Mitbesitzer der Schlächterei macht. Wir gratulieren ihm, und Willy trägt behutsam mit seinen weißen Handschuhen unser Hochzeitsgeschenk herein: ein Messingtablett mit einer Garnitur von zwölf geschliffenen Kristallschnapsgläsern. Dazu drei Flaschen cognac aus Karls Beständen.
Abends kommt Ludwig einen Augenblick. Auf Tjadens dringende Bitte ist er in Uniform erschienen, denn Tjaden will seinen Leuten zeigen, dass er einen richtigen Leutnant zum Freunde hat. Aber er geht bald wieder. Wir andern bleiben, bis nur noch Knochen und leere Flaschen auf dem Tische stehen.
Als wir endlich auf die Straße kommen, ist es Mitternacht. Albert macht den Vorschlag, noch ins Café Gräger zu gehen.
»Da ist ja längst alles zu«, sagt Willy.
»Wir können hintenrum reinkommen«, beharrt Albert, »Karl weiß Bescheid.«
Wir haben alle keine rechte Lust mehr. Doch Albert drängt so lange, bis wir endlich nachgeben. Ich bin verwundert darüber, denn sonst ist er immer der Erste, der nach Hause will.
Obwohl bei Gräger vorn alles dunkel und still ist, geraten wir in einen mächtigen Betrieb, als wir hintenherum über den Hof hineinkommen. Gräger ist das Lokal der Schieber; da geht es fast jeden Tag bis morgens durch.
Ein Teil des Raumes besteht aus kleinen Kojen mit roten Samtvorhängen. Das
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