Der Weg zurück
die Flamme verlöschen wollte, zog Adolf die Frau mit einer zarten Bewegung wieder in das Bett, das hieß: wir bleiben zusammen, wir wollen es wieder versuchen – und er sagte: »Wir gehen fort von hier, Marie.« Das war der Ausweg.
»Ja, Adolf, lass uns weggehen!« Sie warf sich an ihn heran und weinte jetzt erst laut heraus. Er hielt sie fest und wiederholte immer wieder: »Morgen suchen wir einen Käufer – morgen gleich –« Und in einem Wirbel von Vorsätzen, Hoffnung, Wut und Trauer nahm er sie, die Verzweiflung wurde zu Glut, bis sie verstummte und das Weinen schwächer wurde wie bei einem Kinde, und endlich erstarb zu Erschöpfung und friedlichem Atem. Die Kerze war verlöscht, die Schatten waren fort, die Frau schlief, aber Adolf lag noch lange wach in seinem Bett und grübelte. Spät in der Nacht erwachte die Frau und fühlte, dass sie die Strümpfe noch trug, die sie angezogen hatte, als sie fort wollte. Sie streifte sie ab und strich darüber hin, bevor sie sie auf den Stuhl neben ihrem Bett legte.
Zwei Tage später verkaufte Adolf Bethke sein Haus und seine Werkstatt. Er fand kurze Zeit darauf eine Tauschwohnung in der Stadt. Die Möbel wurden aufgeladen. Der Hund musste zurückgelassen werden. Am schwersten aber war der Abschied von seinem Garten. Es war doch nicht leicht, so fortzugehen, und Adolf wusste nicht, was daraus noch werden sollte. Die Frau jedoch war willig und still.
Das Haus in der Stadt ist feucht und lichtlos, die Treppengeländer sind schmutzig und beschlagen vom Waschküchengeruch, die Luft dumpf von Nachbarnhass und ungelüfteten Zimmern. Arbeit ist wenig da, umso mehr Zeit zum Grübeln. Die beiden werden nicht froh. Es ist, als ob ihnen alles gefolgt sei. Adolf hockt in der Küche und begreift nicht, dass es nicht anders werden will. Wenn sie sich abends gegenübersitzen, wenn sie Zeitungen gelesen, das Essen vom Tisch geräumt haben, dann steht wieder der Hohlraum der Schwermut um das Haus, und ihm wird schwindlig vom Horchen und Nachdenken. Die Frau macht sich zu schaffen, sie putzt den Herd, und wenn er sagt: »Komm, Marie«, so legt sie Lappen und Schmirgel weg und kommt, und wenn er sie herunterzieht und flüstert, erbärmlich allein: »Wir kriegen es schon«, dann nickt sie, aber sie bleibt still, sie ist nicht lustig, wie er es möchte. Er weiß nicht, dass es ebenso sehr an ihm liegt wie an ihr, dass sie sich auseinandergelebt haben in den vier Jahren, als sie nicht zusammen waren, und dass der eine den anderen jetzt bedrückt. Er fährt sie an: »So sprich doch was.« Sie erschrickt; und willfährig sagt sie etwas, was soll sie denn schon sagen, was passiert schon hier in diesem Hause, in ihrer Küche – und wenn es zwischen zwei Menschen erst so ist, dass sie sprechen sollen, dann werden sie nie genug sprechen können, um es in Ordnung zu bringen. Sprechen ist gut, wenn Glück dahintersteht, wenn es leicht und lebendig fließt, aber was sollen so wetterwendische und misszuverstehende Dinge wie Worte schon helfen, wenn man im Unglück ist. Sie machen es nur noch schlimmer.
Adolf folgt den Bewegungen der Frau mit den Augen, und er sieht dahinter eine andere, junge, fröhliche, die Frau seiner Erinnerung, die er nicht vergessen kann. Der Argwohn flackert auf, und gereizt wirft er hin: »Denkst wohl immer noch an den Kerl, was?« Und als sie ihn groß ansieht und er sein Unrecht merkt, wühlt er gerade deshalb weiter: »Muss doch so sein, warst doch früher anders! Warum bist du denn wiedergekommen? Hättest ja bei ihm bleiben können!«
Jedes Wort tut ihm selbst weh, aber wer schwiege darum! Er redet weiter, bis die Frau am Gossenstein in der Ecke steht, wo das Licht nicht hinfällt, und wieder weint, wie ein Kind, das sich verlaufen hat.
Ach, Kinder sind wir alle, verlaufene, törichte Kinder, und immer steht die Nacht um unser Haus.
Er hält es nicht aus, er geht fort und läuft ziellos durch die Straßen, er steht vor den Schaufenstern, ohne etwas zu sehen, er läuft dahin, wo es hell ist. Elektrische Bahnen klingeln, Autos pfeifen vorüber, Menschen stoßen ihn an, und unter dem gelben Lichthof der Laternen stehen die Huren. Sie wiegen die stämmigen Hintern, sie lachen und haken sich ein, er fragt: »Bist du lustig?«, und dann geht er mit ihnen, froh, etwas anderes zu sehen und zu hören. Aber nachher steht er wieder herum, nach Hause will er nicht, und nach Hause möchte er doch, er rennt durch die Kneipen und säuft sich voll.
So finde ich ihn und höre ihm
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