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Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
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blonde Person in einem Sessel. Das Kleid ist heruntergestreift, das Haar zerzaust, die Brüste sind noch frei. Das Mädchen hat Albert den Rücken zugewandt, es summt einen Schlager und kämmt sich vor einem kleinen Spiegel. »Lucie«, sagt Albert heiser.
    Sie fährt herum und starrt ihn an wie ein Gespenst. Krampfhaft versucht sie zu lächeln, aber das Zucken ihres Gesichtes erstirbt, als sie sieht, wie Alberts Blick auf ihren nackten Brüsten haftet. Es gibt nichts mehr zu lügen. Angstvoll drückt sie sich hinter den Sessel. »Albert – ich habe keine Schuld –«, stammelt sie, »er – er ist es gewesen –«, und plötzlich plappert sie ganz schnell: »Er hat mich betrunken gemacht, Albert, ich habe es gar nicht gewollt, er hat mir immer mehr gegeben, ich habe von nichts mehr gewusst, ich schwöre es dir …«
    »Was ist denn hier los?«, fragt jemand hinter ihm. Bartscher ist vom Hof zurückgekehrt und wiegt sich in den Knien hin und her. Er bläst Albert den Rauch seiner Zigarre ins Gesicht. »Bisschen nassauern, was? Marsch, abfahren!«
    Albert steht einen Augenblick wie betäubt vor ihm. Mit ungeheurer Deutlichkeit springen ihm der gewölbte Bauch, das karierte Muster des braunen Anzugs, die goldene Uhrkette und das breite rote Gesicht des andern ins Gehirn.
    In diesem Moment blickt Willy von unserm Tisch aus zufällig auf, springt sofort hoch, wirft ein paar Leute um und rennt durchs Lokal. Doch es ist zu spät. Ehe er ankommt, hat Albert seinen Feldrevolver in der Hand und schießt. Wir laufen hin.
    Bartscher hat versucht, sich mit einem Stuhl zu decken – doch er hat ihn nur bis zur Augenhöhe gekriegt. Alberts Schuss aber sitzt zwei Zentimeter darüber in der Stirn. Er hat kaum gezielt – er war immer schon der beste Schütze in der Kompanie, und mit seinem Feldrevolver weiß er seit Jahren Bescheid.
    Bartscher kracht zu Boden. Die Füße zucken. Der Schuss war tödlich. Das Mädchen kreischt. »Raus!«, schreit Willy und hält die anstürmenden Gäste in Schach. Wir reißen Albert, der bewegungslos dasteht und das Mädchen ansieht, durch den Hof, über die Straße, um die nächsten Ecken, auf einen dunklen Platz, wo zwei Möbelwagen stehen. Willy kommt nach. »Du musst sofort verschwinden, diese Nacht noch!«, sagt er keuchend.
    Albert sieht ihn an, als erwache er jetzt erst. Dann macht er sich los. »Lass nur, Willy«, antwortet er schwerfällig, »ich weiß, was ich jetzt zu tun habe.«
    »Bist du verrückt?«, schnauzt Kosole.
    Albert taumelt etwas. Wir halten ihn. Er wehrt uns wieder ab. »Nein, Ferdinand«, sagt er leise, als sei er sehr müde, »wer das eine macht, muss auch das andere tun.« Er geht langsam der Straße zu.
    Willy läuft ihm nach und redet auf ihn ein. Albert schüttelt nur den Kopf und geht zur Mühlenstraße. Willy folgt ihm.
    »Man muss ihn mit Gewalt wegbringen«, ruft Kosole, »er bringt es fertig, zur Polizei zu laufen!«
    »Ich glaube, es nützt nichts, Ferdinand«, sagt Karl verstört, »ich kenne Albert.«
    »Aber der Mann wird doch davon nicht wieder lebendig«, schreit Ferdinand, »was nützt ihm das? Albert muss weg!«
    Wir sitzen schweigend herum und warten auf Willy.
    »Wie konnte er das nur machen?«, fragt Kosole nach einer Weile.
    »Er hat so an dem Mädchen gehangen«, sage ich.
    Willy kommt allein zurück. Kosole springt auf. »Ist er weg?«
    Willy wendet den Kopf ab. »Zur Polizei gegangen. Es war nichts zu machen. Fast hätte er auch noch auf mich geschossen, als ich ihn wegschleppen wollte.«
    »Verflucht!« Kosole legt den Kopf auf die Wagendeichsel. Willy lässt sich ins Gras fallen. Karl und ich lehnen an den Wänden des Möbelwagens.
    Kosole, Ferdinand Kosole schluchzt wie ein kleines Kind.
V
    Ein Schuss ist gefallen, ein Stein hat sich gelöst, eine dunkle Hand hat zwischen uns gegriffen. Wir sind vor einem Schatten davongelaufen, aber wir sind im Kreise gelaufen, und der Schatten hat uns eingeholt.
    Wir haben gelärmt und gesucht, wir haben uns verhärtet und hingegeben, wir haben uns geduckt und sind angesprungen, wir haben uns verirrt und sind weitergelaufen – aber immer spürten wir den Schatten im Genick und wollten ihm entrinnen. Wir haben geglaubt, er jagt hinter uns her – und wir haben nicht gewusst, dass wir ihn mitgeschleppt haben, dass da, wo wir waren, schweigend auch er war – dass er nicht hinter uns, sondern in uns war –, in uns selber.
    Wir haben Häuser bauen wollen, wir hatten Sehnsucht nach Gärten und Terrassen, denn wir

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