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Der weibliche Weg Gottes

Der weibliche Weg Gottes

Titel: Der weibliche Weg Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Gerland
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„Mir ist alles recht, was hilft“.
    Ich atme tief ein und aus und hole meine Gedanken wieder ins Jetzt zurück, wenn sie sich auf die unglückselige Reise begeben, achte auf mein Ein- und Ausatmen. Dabei lausche ich dem Regen, der auf meine Jacke prasselt, und spüre jeden Quadratzentimeter meines Körpers in der Bewegung, jeden Muskel und besonders die verkrampften. So stapfe ich dahin, Schritt für Schritt, verändere den Fokus meiner Augen, sehe was nah ist, vermeide den Blick in die Ferne. Es wird besser, langsam fühle ich mich freier. Irgendwann ist mir, als würde ein Schalter umgelegt. Auf der einen Seite steht Kampf, auf der anderen Gelassenheit. Die Vergangenheit ist weg, unwichtig. Die Zukunft noch nicht da. Ich bin angekommen bei dem, was ich gerade mache. Ich sehe nur noch die Straße direkt vor mir.
    Jetzt macht das Gehen sogar Spaß, ich kann den Regen auf der Haut genießen, ebenso das Gefühl, warm und trocken eingepackt zu sein. Ich spüre, dass ich in meiner Regenkleidung schwitze und sich das Wasser unter den Gurten des Rucksacks sammelt. Auch das stört mich nicht mehr. Ich nehme es zur Kenntnis, mehr nicht. Jeder Schritt vorwärts ist nun viel leichter. Die Bewegungen meines Körpers sind Genuss, der gleichmäßige Schritt meiner Beine freut mich — ich habe meinen Rhythmus gefunden.
    Ich bleibe vermutlich nicht sehr lange in der Entspannung, die Ablenkungen bahnen sich ihren Weg in mein Bewusstsein, aber es hat gereicht, um den zerstörerischen Dialog zu beenden. Zum ersten Mal setzte ich den Satz, Der Weg ist das Ziel, nicht nur mit meinem Kopf, sondern mit meinem Gefühl und Körper um. Das, was auf dem Weg mit mir geschieht, ist das Entscheidende, Verändernde. Das Ankommen ist schön. Aber es ist wie die Garnitur bei einem guten Essen. Sie macht nicht satt. Gerade jetzt geschieht das Wichtigste in meinem bisherigen Leben, in diesem Augenblick und in jedem neuen wieder.
    Der Weg zieht sich in die Länge, am Nachmittag erreichen wir Bergun. Beim Ausziehen stelle ich die Bescherung fest. Die Lüftungsschlitze meiner Jacke waren offen, da hat es reingeregnet. Das war also die Feuchtigkeit unter den Gurten. Weg damit und trockene Sachen anziehen. Über den Rucksack hatte ich eine Hülle gezogen. Alles, was außen im Rucksack verstaut war, ist trocken. Aber das Regenwasser ist an meinem Rücken runtergelaufen und hat sich zwischen Rucksack und Jacke seinen Weg gesucht. Die andere Hälfte ist nass. Na prima, alles ausbreiten und hoffen, dass es bis morgen trocken wird. Deshalb knistert es bei den anderen so im Rucksack. Jetzt bin ich klüger. Ab morgen verstaue ich alles in einer großen Plastiktüte im Rucksack.
    Der Himmel bleibt an den nächsten Tagen verhangen und es regnet oft. Die Wege sind schwer und mühsam. Der Schlamm klebt in dicken Lagen unter den Schuhen. Jeder Schritt ist mühsam, weil der Schuh aus der zähen Masse mit Kraft befreit werden muss — was von einem Schmatzen begleitet wird und beim Aufsetzen von einem Geräusch, das wie „Quatsch“ klingt im glitschigen Schlamm, in dem der Halt fehlt. Wir nennen es scherzhaft unseren Sündenzuschlag und folgen weiter den gelben Pfeilen und der Muschel. Am Abend kommen wir völlig erschöpft in den Refugios an. Wir wissen vorher nie, was uns dort erwartet: unbeheizt, dafür mit heißer Dusche oder mollig warm, aber mit Eiswasser-Dusche. Zum Glück nie beide Mühsalen zusammen. Es hätte schlimmer kommen können.

Schuld und Sünde

    Während eines Seminars traf ich auf einen Mann, der in der Vorstellungsrunde, gleich in den ersten Minuten sagte, „…und außerdem bin ich bekennender Christ“. Uups, da ging ein Ruck durch unsere Gruppe. Wer sich bisher interessiert vorgebeugt hatte, saß sofort etwas gerader. Bei mir gehen alle Alarmsensoren an. Was kommt denn jetzt auf mich zu? Ist das so ein Frömmelnder, Moralisierender? Muss ich jetzt vorsichtig sein, was ich sage? Wird der uns statt seinen persönlichen Ansichten und Gefühlen mit Sprüchen aus der Bibel konfrontieren? So im Stil von: Christus hat gesagt, du sollst nicht.... Oder, was ich für das Allerschlimmste halte, mit dem alles zubetoniert wird, was an unterschiedlicher Wahrnehmung da sein kann: Das ist Sünde!
    Die christliche Religion ist extrem freudlos für mich, so habe ich es erlebt, als ich noch zur Kirche ging, jung war, fröhlich, mit Idealen. Ich meine diese bedingungslose Freude am Sein, am schönen Tag, an glücklichen Begegnungen. Alles, was schön ist,

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