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Der weibliche Weg Gottes

Der weibliche Weg Gottes

Titel: Der weibliche Weg Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Gerland
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Glauben. Also ist die Existenz hier alles, was ich habe. Dann ist dies das Paradies. Dann gehört alles, was die menschliche Existenz ausmacht, mit dazu. Es gibt Leid, es gibt eine Ursache für Leid, es gibt ein Ende des Leidens. Wenn ich das annehme, nicht im Leid verharre, loslasse, sowohl Anfang als auch Ende, die ständige Veränderung der Dinge akzeptiere — bin ich im Paradies. Gelingt es mir aber nicht — bin ich trotzdem im Paradies und mache es zu meiner Hölle.

Regen

    Am nächsten Tag regnet es im Paradies. Zu Beginn sind es nur einige Nieseltropfen. Es ist auch merklich kälter geworden. In den Pyrenäen fällt wieder reichlich Schnee, erfahre ich später. Da bin ich aber schon weit im Landesinneren, fernab der schneebedeckten Gipfel. Noch immer, wenn ich die Augen schließe, sehe ich Stellen des Pyrenäenweges vor mir. It was the worst, yes — but wonderful.
    Aus dem Nieselregen wird ein gleichmäßiger Landregen, stetig und heftig. Anfangs stapfen wir wohlgemut voran, bestätigen uns, dass so etwas ja auch dazugehört, ziehen die Kapuzen über den Kopf und bewegen unseren Muskelkater. Der hat sich nun eingestellt und wird mich noch lange begleiten. Die ungewohnte Anstrengung streckt den Rücken, die Beine werden leicht o-förmig. Mit dem Rucksack auf dem Rücken wirkt der Gang harmonisch. Ohne Rucksack sieht er steif und verkrampft aus. Von nun an wird jedes Aufstehen von einem unwillkürlichen Stöhnen begleitet.
    Ich werde immer missmutiger. Mir scheint, ich weiß oft in meinem Leben die schönen Dinge erst zu würdigen, wenn sie vorbei sind. Habe ich in den letzten drei Tagen die Sonne gebührend gewürdigt? Oder die Wegstrecken über Feldwege, fernab von Straßen? Überhaupt, welcher Teufel hat mich geritten, diesen Camino zu Fuß gehen zu wollen? Ich liebe Luxus, Sonne, Meer, gutes Essen und elegante Weine, schöne Kleider, Highheels.
    Nur ist es heute nicht mein Ehrgeiz, wie gestern noch, der mich vorantreibt. Etwas Neues hat sich hinzugesellt. Ich spüre die Stärke, die der letzte Tag bei mir wachgerufen hat, die Lust an der Bewegung und Anstrengung. Ich bin neugierig auf den heutigen Tag und seine Erfahrung. Es gibt keinen Tag, der nur schlechte Erfahrungen bereithält, jeder Tag hat seine spezielle Süße, die es zu entdecken gilt.
    Es geht immer nur um diesen einen Tag — und diesen Moment. Wieso sollten ein paar Stunden Regen so viel verändern können? Weil das Außen mit dem Innen korrespondiert? Dabei ist das, was alles überdauert, doch im Inneren, in der Seele des Menschen. Wenn es dieser gut geht, lässt es sich mit widrigen Umständen viel besser leben. Bewerten wir die Qualität eines Urlaubs aufgrund der Anzahl der Sonnentage? Das kann es doch nicht sein.
    Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf, akzeptiere, was kommt, und bin mal in der Vergangenheit, mal in der Zukunft. Nach einiger Zeit merke ich, dass der Rucksack tatsächlich schwerer ist, wenn ich in der Vergangenheit verweile und schmerzhafte Erinnerungen vor meinem inneren Auge auf tauchen. Das bleibt auch so, wenn ich an frohe und schöne Erlebnisse denke. Sie hat ihr Päckchen zu tragen, kommt mir in den Sinn. Mein Päckchen sind wohl die Erinnerungen, die ich nicht loslassen will und die grau in die Zukunft hinein regieren. Die Wurzel allen Leidens ist das Begehren, heißt es im Buddhismus. Es soll aufhören, ich will nicht mehr.

Triffst du Buddha unterwegs...

    Siddharta Gautama Buddha lebte nur ungefähr hundert Jahre vor der Entstehung der biblischen Schöpfungsgeschichte in einem Teil der Welt, dessen Gesellschaftssystem durch Kasten geregelt ist. Ein klares Prinzip von oben und unten, zu dem Frauen und Männer gleichermaßen gehören. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kaste kann sich in jedem weiteren Leben ändern, in Abhängigkeit vom Verhalten und dem Karma, der Bestimmung, der jeder unterworfen ist. Wozu also Eile, wenn man doch schon so oft gelebt hat und noch leben wird? Keine schlechte Einstellung, wie ich meine. Etwas mehr davon würde uns im Westen ganz gut tun. Aber wie so oft, es gilt das richtige Maß zu finden.
    In seiner Jugend besitzt Buddha alles, was Geld, Macht und Ansehen bewirken können, wird geliebt, geehrt. Und doch macht er sich auf, weil etwas fehlt, lebt in Askese, im Überfluss und wieder in Askese, bis er den Zustand der Erleuchtung erreicht, bis er sieht, was wirklich ist. Alles Festhalten am Sein schafft Leiden. Interpretationen und Wünsche des Selbst verhindern zu sehen, was

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