Der weibliche Weg Gottes
geschaffen. Ich glaube einfach nicht, dass Gott so denkt. Aber wie dann?
Grundsätzlich nehme ich bei mir und anderen wahr, dass wir oft eine merkwürdige Scheu haben, außerhalb von Räumen, die dafür vorgesehen sind, über Glauben und spirituelle Gedanken zu sprechen. Das ist etwas sehr Persönliches, Intimes. Zumindest, wenn es um den christlichen Glauben geht. Das passt nicht mehr in die heutige aufgeklärte Zeit. Nun bin ich auf einem Pilgerweg und dankbar für die äußere Ruhe auf meinem inneren Weg. Mit meinem Glauben wird das nichts zu tun haben, da bin ich mir sicher, die Tür ist zu.
Die Sache mit der unbefleckten Empfängnis
Hier, in den spanischen Pyrenäen, habe ich die Münze mit Maria in meiner Hosentasche. Wie oft stecke ich jeden Tag meine Hand in diese Tasche, wie oft fühle ich sie, wie oft denke ich: „Maria“ — und bin mir dessen nicht bewusst, was sie für mich bedeutet.
Dann stehe ich wieder in einer Kirche, sehe ihre Abbildung, und die Widerstände kommen hoch. Vor zweitausend Jahren war die Jungfrauengeburt ziemlich in Mode. Auch andere Kulturen, besonders die römische, nahmen sie für sich in Anspruch. Aus der Vereinigung eines Gottes mit einer Jungfrau entstand ein Kind. Diese Art der Zeugung wurde oft als Beweis dafür betrachtet, dass das so empfangene Wesen nur ein Gott sein könne. Die volkstümliche Geburtsgeschichte Buddhas wird übrigens ähnlich erklärt...
Anders bei Maria, hier gibt es keine Vereinigung, keine Hingabe an einen Körper, kein Eindringen. Die Jungfrau empfängt anders. Sie ist schon seit ihrer Empfängnis rein, unbefleckt von Sünden und bleibt rein, auch nach der Empfängnis Jesu. So die Auslegung. Fünfhundert Jahre später stellt die Institution Kirche, vertreten durch eine männliche Diskussionsrunde, fest, dass Marias Hymen bei und nach der Geburt Jesu intakt war. Sie empfängt Jesus unbefleckt und ist auch nach seiner Geburt ohne Sünde. Maria ist die einzige Frau ohne Erbsünde, mit der doch alle Menschen nach dem Verständnis der Kirche auf die Welt kommen, die durch die Vereinigung von Mann und Frau gezeugt wurden. Also muss sie bereits unbefleckt empfangen worden sein. Sie ist der einzige Mensch ohne Erbsünde und der einzige sündenfreie Mensch.
Was dann wieder die Frage aufgeworfen haben soll, wenn Maria unbefleckt empfangen wurde ... ob vielleicht Marias Mutter (das soll die Heilige Anna gewesen sein) schon ohne Erbsünde war ... denn wie wäre sonst Maria ohne Erbsünde, wenn ihre Mutter... dann wäre doch Marias Großmutter vielleicht auch ... aber wie sollte sie, wenn nicht schon deren Mutter ... Sie sollen sich damals in diesen Diskursen ziemlich verheddert haben. Schade, dass sie nicht weitergemacht haben, irgendwann wären sie doch bei Urmutter Eva angekommen, die zwar unbefleckt zur Welt kam, aber den ganzen Ärger mit der Erbsünde initiiert haben soll. Vielleicht hätten die Kirchenväter die Genesis umschreiben müssen, wenn sie so weitergemacht hätten. Es gibt auch heute Gläubige, die fest davon überzeugt sind, dass der Heilige Geist diese tiefen Wahrheiten auch nach Jahrhunderten noch vermitteln kann, dass die Zeit, die seitdem vergangen ist, keine Rolle spielt. Vielleicht ist das ja so, wer weiß es schon, wer kann es glauben?
Fakt ist aber, dass ein gewaltiges kirchliches Drei-Klassen-System für Frauen entstanden ist. In der ersten nur Maria, in der zweiten jungfräulich Gebliebene, in der dritten alle anderen Frauen. Indem die Frau befleckt wird, entsteht neues Leben. Wie bizarr. Es gab Zeiten, da mussten Frauen erst von dieser Schuld gereinigt werden, bevor sie mit ihrem Kind zur Taufe gehen konnten. Zweitausend Jahre sind vergangen, die Aufklärung liegt lange hinter uns, die Erde ist eine Kugel geworden, aber wenn Menschen heute gefragt werden, welche Inhalte ihr christliches Glaubenssystem hat, nimmt die Jungfrauengeburt einen der vorderen Plätze ein.
Warum dieses Festhalten? Ist es der Wunsch nach der Wiedererlangung der verloren gegangenen psychischen Unschuld, die Projektion von Wünschen auf ein anderes Wesen? Wie alt mag Maria gewesen sein, als sie schwanger wurde? Vielleicht dreizehn, glaubt man den Quellen über die jüdische Gesellschaft. In diesem Alter ist eine Sache noch gut oder schlecht, schwarz oder weiß. Es gibt noch ein bedingungsloses Ja. Die Ideale haben noch Kraft, das sich Einlassen auf Unbekanntes ist fast noch ein Spiel, weil die Unschuld die Konsequenzen des eigenen Handels nicht
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