Der weibliche Weg Gottes
Situation bezogen, einem bestimmten Menschen gegenüber. Da ist es meist der andere, der diese Eigenschaften besitzt, nur wir nicht. Wir selbst sehen uns eher als Opfer der Umstände: bei der Arbeit, in Beziehungen, in der Familie, bei Freunden, in größeren Zusammenhängen erst recht: Parteien, Volksgruppen, Staaten.
Wer seine Schwächen liebevoll annimmt, für den Anfang reicht auch zähneknirschend, kann das auch beim anderen. Nur das, was wir an uns wahrnehmen und akzeptieren, können wir verändern. Es gibt nur einen Menschen, den du ändern kannst: dich selbst. Alles andere ist Zeitverschwendung. Zeige mit dem Finger auf einen Menschen, drei Finger zeigen auf dich.
Allein oder einsam
Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei, sagt die Bibel und legt damit einen tonnenschweren Grundstein für Probleme und Verwicklungen. Ganze Bibliotheken könnten mit Büchern gefüllt werden, die sich damit beschäftigen, warum Zwei- und Dreisamkeit so schwierig ist und der Mensch sich in größeren Gruppen auch nicht leichter tut. Teil zwei dieser Bücher ist dann immer die Handlungsanweisung zum Glück.
Eltern lebten uns vor: Zweisamkeit ist gut, mein Kind. Alleinerziehende Mütter und Väter tun sich zerknirscht mit anderen zusammen, um den Mangel auszugleichen. Unsere psychische Gesundheit wird unter dem Gesichtspunkt definiert, ob und wie wir mit anderen kurzfristig oder dauerhaft auskommen. Kaum ein Job, bei dem nicht Teamfähigkeit gefordert wird. Wenn wir feststellen, dass das bei uns nicht funktioniert, erleben wir es als Mangel. Irgendwas stimmt nicht mit uns, wenn wir gern allein sind.
Mit diesem Was, Du willst Dich allein auf den Weg machen? sind alle Singles auf dem Camino konfrontiert worden, die ich getroffen habe. Es ist nicht nur die größere Gefahr, der Alleinreisende ausgesetzt sind. Du bist nicht vollständig, wenn du allein bist, irgendwas stimmt nicht mit dir, suggeriert die Frage.
Dabei ist doch alles ein großes sprachliches Missverständnis mit dem ...nicht gut, wenn der Mensch alleine ist. Denken Sie, bevor Sie weiterlesen, bitte nicht an zarte Schokoladentäfelchen---oder---nicht an prickelnden Champagner. Es geht nicht. Unmöglich. Das Bild ist vor unserem inneren Auge und bei einigen werden sogar die Geschmacksnerven reagieren. Unser Kopf kann das Wort NICHT nicht denken. Er streicht das Wort NICHT, was übrig bleibt, ist genau das, was wir NICHT wollen.
Also denken wir weiterhin an verbotene Dinge und tun sie auch. Die Zehn Gebote legen Zeugnis davon ab. Kaum ein Gebot, in dem nicht NICHT erscheint. Kein Wunder, dass die Menschen andere Götter haben, falsch Zeugnis reden und des Nächsten Weib begehren. Unsere Probleme bleiben bei uns, auch wenn wir uns noch so bemühen, NICHT an sie zu denken. Aber es gibt auch Positives: Wir stellen fest, dass es gut ist, wenn der Mensch alleine ist.
Alleinsein auf dem Camino ruft oft Erstaunen bei anderen Pilgern hervor, vor allem bei Gruppen aus Spanien und Brasilien. Für ihre Kultur ist diese Abgrenzung ganz fremd. Manchmal werde ich angesprochen und nach meiner Gruppe gefragt. Anfangs stehe ich zu meinem Alleinsein. Dafür ernte ich mitleidige Blicke und eindeutige Gesten, mich ihnen anzuschließen. Später nicke ich bei der Frage nach meinen Freunden und weise mit unbestimmter Geste nach vorne und zurück. Was auch stimmt. Das ruft offensichtliche Erleichterung hervor, die mit freundlichem Lachen angezeigt wird. Dann zieht die Gruppe laut schnatternd an mir vorbei.
Es ist ein großer Genuss, wieder allein und in der Stille zu sein. Angelika ist zwanzig Kilometer vor mir. Wir halten Kontakt über unsere Handys. Im Notfall könnten wir schnell wieder zusammen sein. Aber das will ich noch nicht. Ich brauche Zeit. Dies ist eine große Chance für mich, grundsätzliche Probleme und immer wiederkehrende Spannungen für mich zu durchleuchten. So kann es nicht weitergehen mit mir. Ich leide darunter, dass ich so impulsiv im Konflikt bin. Das möchte ich verändern. Aber dazu ist es wichtig, zu meinen Wurzeln zu gelangen.
Dazu muss ich diese ganzen Ströme von plappernden Gedanken in mir unterbrechen und in Ruhe bei mir sein. Mit der Zeit gehe ich immer größere Wegstrecken allein auf dem Camino.
Wie wohltuend der eigene Rhythmus, das eigene Tempo, die eigenen Ziele für die eigene Zufriedenheit sind. Ich bin eins mit mir, es gibt keinen Mangel. Nichts, was in solchen Phasen fehlt. Ich bin allein glücklich mit mir. In solchen Momenten komme ich
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