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Der weibliche Weg Gottes

Der weibliche Weg Gottes

Titel: Der weibliche Weg Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Gerland
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Reglementierung, allerdings auch mit geringerem Kontakt zu anderen Pilgern.
    Am Tag und am Abend laden große Plätze zum Sehen und Gesehenwerden ein. Eine Hochzeitsgesellschaft formiert sich. Ich wünsche den beiden in Gedanken eine glückliche und liebevolle Beziehung. Natürlich tauchen in solchen Momenten Bilder auf, die lange zurückliegen und traurig machen, weil sie nicht mehr sind. Dann kommt der Zorn über Verletzungen, später die Selbstvorwürfe: Wieso habe ich das so lange mitgemacht? Es ist noch ein weiter Weg, nicht nur auf dem Camino.
    Die Aufregungen einer schönen Stadt sind eher für Ablenkung als für Verarbeitung geschaffen. Was liegt da näher, als ans Essen zu denken. Entlang des Jakobsweges gibt es wunderbare Kuchen, Torten, Gebäckstücke, Kekse. Nicht zu süß. Sehr, sehr lecker. Und es gibt Tapas! Hier in Logroño sind Minibrötchen mit Schinken der Region die Spezialität eines Restaurants. Ich glaube, ich bin die einzige Pilgerin in meinem Umfeld, die nicht abnimmt bei der Wanderung. Allerdings wird mein Körper merklich straffer. Auch nicht schlecht.
    Nach zwei Tagen Genuss geht alles sehr schnell. Der Ärger beginnt. Der Auslöser ist vermutlich nebensächlich, die Verletzung tief. Eine Woche habe ich meinen Bewegungsdrang gebremst oder ihn allein ausgelebt. Nun muss ich mir anhören, dass ich die ganze Zeit die allein Bestimmende war. Ich fühle mich total ungerecht behandelt. Nein, ich werde mich jetzt nicht auch in den Bus setzen und meiner vorauseilenden Freundin hinterherfahren. Diesen Weg werde ich zu Fuß gehen.
    Jetzt heißt es wieder Abstand halten, faule Kompromisse vermeiden. Lieber allein bleiben, bis im Kopf das wütende Rad aus Vorwürfen und Rechtfertigungen zum Stillstand gekommen ist. Da ist die Distanz gut, einen Schritt zurücktreten, eigene Anteile erkennen. Schade, es war gerade so schön. Ich scheine eine Meisterin im Wegschauen zu sein. Sonst hätte mir doch vorher schon auffallen müssen, dass sich schlechte Stimmung zusammenbraut. Und meine Gedanken über Führsorge hätte ich besser auch auf meine momentane Situation beziehen sollen. Wieder pendele ich zwischen Ärger und Selbstvorwürfen. Wie leicht ich doch die Begriffe Schuld und Sünde ablehnen kann. Dabei drücken Selbstvorwürfe das Gefühl eigener Schuld aus.
    An einem anderen Menschen etwas wahrzunehmen ist, als würden wir in einen Spiegel sehen. In den Spiegel zu sehen heißt aber, sich selbst zu sehen. Wir können nur wahrnehmen und benennen, was wir schon kennen. Der Irrtum, dem wir oft unterliegen, ist die Annahme, der andere sei die Ursache für unseren Ärger. Dabei können andere nur das auslösen, was bei uns zum Ärger führt. Nicht mehr und nicht weniger. Wie wir sein Verhalten interpretieren, ist allein unsere Angelegenheit.
    Damit sind wir wieder bei uns. Sollten auf uns selbst schauen, auf unsere Wünsche, die nicht befriedigt werden, unsere Werte, die in Frage gestellt werden. Immer wieder ist jemand da, der mir einen Spiegel vorhält, damit ich mich mit meinen Anteilen beschäftigen kann. Das heißt nicht, die eigenen Gefühle zu negieren. Wenn schon ärgern, dann aber richtig und heftig. Ärger ist doch nichts anderes, ein Gefühl, das kommt und geht. Vor einer Stunde ging es mir noch gut, jetzt ärgere ich mich, in wenigen Minuten geht es mir wieder gut. Mehr nicht. Na ja, dafür bedarf es einiger Übung — und jetzt übe ich gerade wieder.
    Bevor wir nicht unsere dunkle Seite annehmen, die der andere zum Klingen gebracht hat, akzeptieren, dass wir nun einmal so sind, und uns selbst den Unsinn verzeihen, den wir gesagt und gemacht haben, wird kein Friede in uns herrschen. Dabei ist es völlig nebensächlich, wie der andere damit umgeht. Das ist nicht wichtig für das Selbst.
    Wir brauchen diesen Spiegel für unsere Entwicklung, um auf unserem Lebensweg voranzukommen.
    Unter diesem Gesichtspunkt sind Menschen, die uns begegnen, mit Aufgaben verbunden, die wir zu lösen haben, wenn wir uns weiterentwickeln wollen. Unter diesem Blickwinkel verliert vieles an Gewicht, was doch so groß und erdrückend erschien.
    Leicht gesagt, unsere angenehmen Eigenschaften, die durch andere hervorgebracht werden, sehen wir mit Vergnügen, aber wer stellt sich schon gern seiner dunklen Seite. Wer sagt schon leichten Herzens, ja, das kenne ich auch von mir, so bin ich auch. Nicht so ganz allgemein und theoretisch gesprochen: Klar doch, hat doch jeder Mensch, hob' ich auch. Sondern konkret auf eine

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