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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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wir viele verloren?«
    »Ich habe acht gezählt. Sieben sind von Neurovorenhand gefallen – und über den achten wissen Sie Bescheid.«
    »Ja…«
    »Er gehörte meinem besten Freund. Er sagte, Sie hätten versucht, dem Tier Noctus zu injizieren.« Petla berichtete, gegen Ende der Schlacht sei er auf einen erschöpften Lipoca gestoßen, der auf dem Rücken gelegen habe, die Nadel einer Injektionsspritze in der Flanke. Er habe das Tier seines Freundes erkannt und zu ihm gehen wollen, als es sich herumgedreht, sich selbst injiziert und die Spritze zerbrochen hatte. Ein paar Sekunden später sei es tollwütig geworden, und Petla habe es töten müssen. »Ich glaube, das ist eine ungewöhnlich sensitive Spezies«, meinte er, »und unfähig, Noctus zu verkraften – egal, in welcher Dosierung.«
    »War es unumgänglich, den Lipoca zu töten?«
    Statt einer Antwort hielt Petla seinen bloßen Arm ins Licht des Feuers. Eine vier Millimeter tiefe Rißwunde zog sich durch sein Fleisch. »Können Sie das glauben, General? Der Lipoca meines besten Freundes hat mir das angetan!«
     
    Als sich Iztacs erste Strahlen über das Schlachtfeld tasteten und auf die unbeerdigten Leichenhaufen von dreihundert Neurovoren fielen, kam es Burnes Soldaten auf schreckliche Weise zu Bewußtsein, daß sie gemordet hatten. Natürlich konnte man behaupten, der Feind hätte es nicht besser verdient, die Neurovoren seien viel schlimmere Mörder gewesen, als es die Quetzalianer jemals sein würden. Doch ohne den Anblick der geschlachteten Kameraden verlor dieses Argument an Wirksamkeit. Manche Soldaten litten unter Übelkeit, andere wurden von Katatonie befallen. Und alle wollten die Wüste ohne weitere Verzögerung verlassen.
    Der General erhob keine Einwände. Zwei Stunden später waren die unverletzten Soldaten aufgestiegen, die Verwundeten auf den Munitionswagen festgeschnallt. Sie ließen die Neurovorenleichen liegen. Ein Massenbegräbnis wäre dem Eingeständnis gleichgekommen, daß diese Rasse existiert hatte.
    Burne stellte seine Armee in drei konzentrischen Kreisen auf. Als er in die Mitte sprengte, fiel sein trauriger Blick auf eine reiterlose Lipoca-Schar. »Soldaten!« begann er. »Heute verlasse ich euch.« Er hob eine Hand, zeigte zur Sonne. »In dieser Richtung liegt mein Schiff. Ich kann in einem Tag hinreiten. Zwei Tage brauche ich, um es mit Treibstoff zu versorgen.« Nun lächelte er. »Ich werde schneller in eurer Heimat sein als ihr.« Seine Hand beschrieb eine Drehung um hundertachtzig Grad. »Dort liegt Quetzalia. Kehrt als Zivilisten zurück! Wir haben nun nichts mehr miteinander zu schaffen. Ich lege mein Kommando hier und jetzt nieder.«
    Ein heiserer Ruf stieg aus dem äußeren Kreis auf. »Warten Sie, Dr. Newman! Wir sind noch nicht miteinander fertig!« Die feindselige Stimme weckte eine brennende Erinnerung in Burne – als sei eine gefürchtete Krankheit, an deren Heilung man geglaubt hatte, plötzlich zurückgekehrt.
    Die Sprecherin ritt durch den mittleren Kreis, alle Augen auf sich gerichtet, dann durch den inneren Kreis und zügelte ihren Lipoca. Der Exgeneral zwang sich zu einem Lächeln. Die hübsche Frau, die er vergewaltigt hatte, lächelte zurück.
    »Ziehen Sie Ihre Waffe, Doktor!« stieß Ticoma hervor. »Ehe mich meine Kräfte verlassen.«
    Sie riß ihr blutbeflecktes Schwert aus der Scheide an ihrem Gürtel, lenkte ihren Lipoca zu Burne, zerteilte den Schildkrötenpanzer, der neben Burnes Knie befestigt war, mit zwei Streichen. Die beiden Hälften fielen zu Boden. »Verteidigen Sie sich, Doktor! Sie haben mir damals keine solche Chance gegeben!« Sie starrte an Burne vorbei, schwang ihr Reittier herum, wandte sich an die Erste Armee. »Er hat mich vergewaltigt!«
    »Wir sollten darüber reden«, sagte Burne.
    Statt einer Antwort griff Ticoma ihn mit erhobenem Schwert an. Burne schwang seine Waffe hoch, parierte einen wütenden Hieb, dann galoppierte er hinter seiner Gegnerin her. Zweimal ritt Ticoma im Kreis in der Arena aus Lipoca-Fleisch. Dann riß sie ihr Tier plötzlich herum, und in ihrem nächsten Schwertstreich lag die ganze Wut ihrer Muskeln, ihres Hasses. Die Schwungkraft des Stoßes war am stärksten, als er auf Burnes Waffe traf, und diese wilde Wucht warf ihn aus dem Sattel. Der Sand war nicht weich genug, um seinen Sturz zu mildern, als er kopfüber stürzte.
    Ticoma stieg ab, entdeckte mit einem zufriedenen Lachen, daß Burnes Schwert in einer Düne steckte. Sie hielt die Klinge ihrer Waffe

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