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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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nachdenklich in kleine Wirbelströme starrte. Die importierten Sumpfreptilien, die Muskeln vor Kälte verkrampft, rührten sich nicht.
    Sie war heute gefaßter. Der Kummer hatte sich zu einem Gefühl entwickelt, das zu erleben sich auf seltsame Weise lohnte. Sie durftediesem Gefühl keinen Widerstand leisten, durfte es nicht verleugnen, durfte nicht einmal versuchen, es zu intensivieren, um es möglichst schnell hinter sich zu bringen. Sie mußte es als etwas Natürliches, Unvermeidliches akzeptieren, genauso wie das Gebären, das Erbrechen, den Regen. Die Worte kamen ihr ganz leicht über die Lippen. »Wie mag es wohl der Ersten Armee gehen?« fragte sie beiläufig. »Die Schlacht war für gestern geplant.«
    »Vorgestern«, korrigierte Francis, erstaunt über diese Gesprächsthemenwahl. »Ich glaube, Burne ist jetzt schon an Bord des Schiffes und verwandelt euer quetzalianisches Polluzit in Cäsium.«
    »>Es gibt keine notwendigen Übel<, pflegte Janet Vij zu sagen. Hatte Sie unrecht, mein Freund? Ist Burnes Krieg gut?«
    »Was das betrifft, so kann ich nur irrational denken.« Er blickte zum Himmel auf, über den dünne, bronzefarbene Wolken krochen.
    »Jetzt erinnere ich mich. Du schleppst diesen Groll mit dir herum, seit die Neurovoren die Gehirne deiner Freunde gefressen haben.«
    »Tez!« Francis’ Zorn verdrängte sein Staunen. »Wie kannst du so reden!«
    Sie lächelte mutwillig. »Wie soll ich denn reden? Mit einem Zweig zwischen den Zähnen?« Sie steckte sich einen Zweig zwischen die Zähne. »Sehr clever, wie Burne diesen Neurovoren umgebracht hat… Von vorn bis hinten durchbohrt… Hat er das vorher üben müssen? Ich meine den Käfer.« Der Zweig brach entzwei, als sie ihn durchbiß.
    Francis hörte zu paddeln auf. »Nein. Wenn ein Cortexclavus erst mal zu bohren anfängt, bohrt er immer weiter. Nichts kann ihn aufhalten.«
    »Der ideale Soldat«, sagte sie ohne jede Ironie. »Burne hätte eine Armee aus Korkenzieherkäfern aufstellen sollen.«
    »Normalerweise sprichst du nicht über solche Dinge.«
    »Aber ich denke daran, das weiß Iztac.« Ihr Lächeln erinnerte an eine Wunde. »Und heute denke ich auf neue Weise daran. Ich frage mich – könnte Burne ein Held sein? Könnte eine gewisse Art des Tötens richtig sein, wenn das Ziel darin besteht, die Zivilisation zu erhalten, und wenn der Feind… Siehst du? Jetzt fange ich schon wieder an, die Dinge in Kästchen einzuordnen.«
    Aus irgendeinem Grund freute sich Francis nicht über ihr unpazifistisches Geschwätz. Unbehagen stieg in ihm auf. »Ich glaube, wir sollten jetzt zurückfahren.« Er starrte auf den Boden des Kanus, wo sich kleine Pfützen gebildet hatten. »Außerdem wird’s hier langsam naß.«
    Tez warf die beiden Hälften des Zweigs in den Sumpf und folgte Francis’ Blick. »Gott der Gehirne! Ein Leck!«
    »Ein erstklassiger Grund, um zurückzupaddeln«, bemerkte Francis mit dumpfer Stimme.
    »Kümmert sich der Junge denn nicht um diese Dinge, bevor er die Kanus vermietet?« rief Tez ärgerlich. »Ist ihm das alles egal?«
    Sie paddelten zurück, mit so heftigen Ruderschlägen, daß die Pfützen im Boot immer größer wurden. Das Wasser spritzte auf ihre Kleider, drang bis zur Haut durch und rief ein Gefühl hervor, das Francis genossen hätte, wäre er nicht so tief in Gedanken versunken gewesen.
    Rasch erreichten sie das Ufer, viele Stunden bevor das dumme Leck sie ernsthaft in Gefahr gebracht hätte. Trotzdem hatten sie das Gefühl, gerettet zu sein. Tez sprang als erste an Land und marschierte auf Popet zu. »Entschuldige mal, aber der Kahn, den du uns da gegeben hast, ist voller Würmer.«
    Popet starrte unglücklich auf das gestrandete Kanu. »So ein Pech. Ich werde ein anderes für Sie aussuchen.«
    Francis kam gerade rechtzeitig hinzu, um Tez sagen zu hören: »Nein, es ist zu kalt da draußen. Gib uns das Geld zurück.«
    »Alles?« Popet hämmerte mit seiner Ferse in den Sand.
    »Alles«, beharrte Tez steif.
    »Da muß ich erst meinen Vater fragen.«
    »Du wirst niemanden fragen«, lautete die Antwort. »Wir wollen unser Geld jetzt haben – sofort.«
    Verblüfft über die hartherzige Forderung dieser kleinen Frau, nahm Popet einen Lipoca-Lederbeutel von seinem Handgelenk, öffnete ihn, schüttelte vier Cortas in seine Handfläche. »Ich kann Ihren Standpunkt verstehen«, sagte er und meinte das Gegenteil.
    Tez nahm das Geld. »Wir wären fast ertrunken!« Sie wirbelte herum, marschierte davon. Francis folgte ihr ein paar

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