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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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eine Verteidigungsarmee .«
    »Wir sind eine tote Armee. Kommen Sie!« Einer plötzlichen Eingebung folgend, packte Burne die Zügel von Ras’ Lipoca und galoppierte auf die Oase zu. Erschrocken ließ der Astrologe seinen Pfeil fallen und klammerte sich am dicken Hals des Lipocas fest wie ein Ertrinkender an einem Strohhalm.
    Ras im Schlepptau, sprengte Burne zum nächstbesten Weg, einem breiten Band aus Erdreich, gesäumt mit organischen Büschelschirmen und dicken blauen Früchten. Burne wußte, daß am Ende dieses Pfads eine Zufluchtsstätte wartete – nur für eine kurze Frist, doch das war im Augenblick alles, was er brauchte. Nur drei Neurovoren bewachten das Ende des Pfades, nur vier weitere standen bereit, um den kleinen Trupp zu verstärken. Sofort schleuderten die drei ersten ihre Speere. Burne schwang seinen Lipoca zur Seite, riß den Astrologen mit sich, und die scharfen Steinspitzen gruben sich in eine Düne. Die Neurovoren hoben ihre Äxte.
    »Springen Sie!« brüllte Burne und gab ihm die Zügel zurück.
    Falls noch Alternativen existierten, der Astrologe bemerkte sie nicht. Als er den Weg erreichte, versetzte er seinem verängstigten Lipoca einen Stoß, der bedeutete: »Spring!« Burnes Tier hatte den Boden bereits verlassen und segelte über die Neurovoren hinweg, deren Äxte die Luft durchschnitten. Ras folgte ihm, warf einen kurzen Blick auf die behaarten Wesen unter sich. Er hatte noch nie zuvor einen Neurovoren aus der Nähe gesehen, hatte dieser Hauptkalamität der Devolution noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden. Es war faszinierend. Die Hufe gruben sich in den Sand.
    Blaue Flecken flogen vorbei, als tausend Meter zwischen den Soldaten und ihren Verfolgern lagen. Plötzlich schrie Burne: »Steigen Sie ab!« Die Flecken stoppten, und Ras erblickte einen hellen, stillen Teich. Die Bäume ringsum verharrten in unheimlichem Schweigen, abgesehen von einem gelegentlichen Vogellaut. Er stieg ab. »Warum sind wir hier?«
    Burne zog sein Schwert aus der Scheide. »Damit mich meine Armee nicht sehen kann.«
    »Werden Sie mich töten?«
    »Nein – Ihren Lipoca…«
    »Er ist mein Haustier…«
    »Wir brauchen Blut. Sie müssen einen Toten mimen.«
    »Das ist Betrug.«
    »Das ist ein Befehl.«
    »Ein böser Befehl.«
    »Ein nützlicher.« Burne zog seine Uniformjacke aus, die Epauletten flatterten. »Binden Sie ihm das um den Kopf.«
    Der Astrologe griff lustlos nach der Jacke. »Können wir nicht Ihren Lipoca töten, Sir?«
    »Hören Sie, Soldat, ich bin am Ende meines Wistar-Stabs. Ich will siegen, und deshalb schlitze ich jetzt entweder den Hals dieses Tieres auf – oder Ihren!«
    Ras ließ sich überzeugen und legte die Jacke über das Gesicht des Lipocas, band die Ärmel wie Hutbänder zu.
    »Treten Sie zurück!« Burne hob sein Schwert, und Ras gab seinem Freund einen Abschiedskuß.
    Zehn Minuten, nachdem Burne und sein Gefangener in der Oase verschwunden waren, stürmte ein Reiter aus dem dichten Dschungel, flüchtete vor den Speeren, die ihm folgten. Die Soldaten in der vordersten Reihe beugten sich über den Hälsen ihrer Tiere vor, erkannten ihren General – und den nackten Körper eines quetzalianischen Astrologen, der über den Schultern des Lipocas lag und Blut in den Sand tropfen ließ.
    Burne zügelte seinen Lipoca vor Minnix Cies. Das nackte Opfer zeigte mehr Blut als Haut. Mehr Blut als Haut! Für Minnix wurde dieser Gedanke zu einem inneren Zwang, Rache zu üben. Sein Blut begann zu kribbeln. Jetzt hatte Noctus das Kommando übernommen, spuckte ihre Forderungen in jede einzelne Körperzelle. Als die Erregung ihren Höhepunkt erreicht hatte, zog er spontan die Sehnen seines Bogens zurück.
    Burne galoppierte im Kreis herum, schwang mit einer Hand sein Schwert, hielt mit der anderen Ras fest. »Der Feind hat uns angegriffen!« schrie er immer wieder und sah zufrieden, wie die Pfeile wieder aufgelegt wurden. Als er den Kreis vollendet hatte, ließ er den Astrologen sanft zu Boden sinken, aber nicht so sanft, daß der Trick durchschaut werden konnte, und brüllte: »Feuer!«
    »Feuer!« echoten die Offiziere. Ein Schwarm von Pfeilen stob davon. Fünf Sekunden lang sahen die Neurovoren in dumpfer Spekulation zu und wunderten sich, warum die Eindringlinge so winzige Speere verwendeten und aus so großer Entfernung schleuderten. Am Ende der fünften Sekunde kamen die Pfeile an, und die Neurovoren wunderten sich nicht mehr. Als Dutzende zu Boden sanken – durchbohrt,

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