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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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daß ein paar arme Tiere ihr Leben für dieses Zeug gegeben hatten…
    Francis wartete auf Kriegsgeschichten, aber Burne fühlte sich zu elend, um welche zu erzählen. Sie unterhielten sich über Entomologie, Archäologie, Zeitreisen und die Nerde, wobei Francis viel mehr zum Gespräch beitrug als sein Freund. Als er sich das letzte Fleischbällchen in den Mund gerollt hatte, ging er zum Holovisionsmonitor und schaltete ihn ein. »Du hast es geschafft, Burne. Von allen lausigen Bastarden in der Galaxis…«
    Ein heiseres Stöhnen unterbrach ihn. Er wandte sich um, sah Burne wie eine Boje vornüberkippen. Der Monitor begann zu singen. Mit ausgestreckten Armen lief Francis zu dem Verletzten, aber der Held protestierte und wollte sich nicht helfen lassen. »Ich kann meine verdammten Zehen nicht bewegen«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Ich sage nicht >wackeln< – denn ich habe es noch nie geschafft, mit diesen Warzenschweinen zu wackeln.«
    »Geh ins Hospital, Burne«, erwiderte Francis mit gespieltem Desinteresse.
    Burne packte ihn am Ärmel, zog ihn auf Flüster-Distanz zu sich heran. »Ich werde diesen Kahn unter keinen Umständen verlassen.« Seine Stimme schwankte irgendwo zwischen schwachem Murmeln und starker Willenskraft. »Und wenn meine Beine verrotten! Und wenn der liebe Gott durch die Luftkanäle furzt! Verstanden?«
    »Und wenn du wieder Fieber bekommst?«
    »Dann steuerst du das Schiff.«
    Typisch Burne… Aber aus irgendeinem Grund lächelte Francis.
    »Ich habe gerüchteweise gehört, daß du möglichst schnell nach Hause willst.«
    »Ich hasse dieses Land, Lostwax. Ich hätte nicht gedacht, daßman mir mein Bein halb abschneiden würde – aber es ist passiert. Bevor noch was anderes kaputtgeht, reitest du jetzt wie der Wind zum Olo, holst deine Zahnbürste und deinen Käfer und deine hübsche kleine Verlobte – wie heißt sie doch gleich, diese Pazifistin – und bist bei Sonnenaufgang wieder hier.«
    »Tez wird seit zwei Tagen vermißt.«
    »Was ich jetzt am allerwenigsten brauchen kann, sind Komplikationen, Kumpel.«
    »Hör mal, Burne, ich will mich nicht mit einem Schwerverletzten herumstreiten, aber ohne mich wärst du niemals auf die Idee gekommen, Noctus als Waffe zu benutzen.«
    »Also gut, morgen mittag – keine Sekunde später.« Er klappte den Mund über seiner Fleischkugel zu, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen. »Wenn du dann nicht hier bist, kannst du selber sehen, wo du bleibst.«
    Francis nickte. Das ist fair, dachte er. Wenn sie heute abend nicht auftaucht, ist das der beste Beweis dafür, daß sie sich für Quetzalia entschieden hat. Vielleicht ist es gut so, Tez. Vielleicht ist die Nerde deiner nicht würdig.
    Burne saß vor der Kontrolltafel. Der Monitor glühte gelb, als die Positionslichter aufflammten. Draußen bildete sich eine kegelförmige Menge. Sie begann am anderen Ende des Tors und dehnte sich zum Wald hin aus. Die Dicksten, Gouverneur Nazra und Mouzon Thu, standen an der Spitze, schwangen ihre Laternen und fingen Schneeflocken auf den Zungen ein.
    Burne betrachtete die Szene und seufzte. »Ich will nicht, daß hier irgendwelche Neugierigen reinkommen.«
    »Du bist ihnen eine Siegeransprache schuldig.« Francis kämpfte mit seinem Mantel und rückte ihn mühsam zurecht.
    »Kümmer du dich um das alles, Lostwax. Ich werde meinem Bein jetzt die wohlverdiente Ruhe gönnen.« Burne erhob sich, griff nach dem Langbogen, stützte sich darauf und hinkte unsicher über das Deck.
    Francis trat vor, stopfte Knöpfe in Knopflöcher, fungierte als Burnes zweite Krücke. Arm in Arm gingen sie zu den Kabinen.
    Es hatte noch nicht zu schneien aufgehört, als Francis in die schwache Glut der Darwin hinausstieg, die Luke versperrte und zum Bug lief. Die blauen Flocken, die den Lichtern entgegenwirbelten, verwandelten sich in einen grünen Erbsenhagel. Nazra und Mouzon stürmten eifrig herbei. Francis erzählte ihnen alles Wissenswerte, wehrte sie mit einem Wollärmel ab und lächelte in die Runde.
    Nazra watschelte triumphierend in die Menge, konnte es kaum erwarten, das neueste Argument für seine Wiederwahl vorzubringen.
    Mouzon klammerte sich an Francis’ Kragen. »Es ist schrecklich – und obszön.« Dann fügte er nach kurzem Nachdenken hinzu: »Aber der Planet gehört nun uns. Deshalb möchte ich hineingehen und ihm danken.«
    »Er empfängt keine Besucher – weil er krank ist.« Die Menge bejubelte eine besonders gelungene Phrase in Nazras Ansprache.

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