Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
nicht nötig, sie hinauszuweisen. Wenn Mool dieses traurige Bein heute abend wiederbelebte, würde Francis die vielen Räume nicht mehr brauchen.
    Als er die Villa betrat, sah er, daß das Licht aus dem Bankettsaal kam, einer tristen Riesenhöhle, die er normalerweise nur aufsuchte, weil sich die Tür zum Weinkeller darin befand. Der Tisch war, passend zur Atmosphäre des Raumes, aus einem Mammutbaum geschnitzt worden, der älter gewesen war als die Eden Drei. Am anderen Ende schimmerte Sternenschein durch ein Fenster und beleuchtete drei rohe Lammkoteletts, um eine fast leere Weinflasche gruppiert, die sich aus der Mitte einer Keramikplatte erhob. Eine kleine Frau saß vornübergeneigt am Tisch, das Gesicht im Schatten.
    »Tez?« Er haßte diese Sekunde, die von ihm zu erwarten schien, daß er nun wie ein Kino-Epen-Held zu ihr stürmte und sie in die Arme riß. Und als er erkannte, daß er dazu nicht fähig war, wurde er sehr verlegen und ging mit schleppenden Schritten auf sie zu. Mit zögernden Schritten, die an die Scheinschwerkraft in der Darwin erinnerten.
    Sie hob den Kopf, hielt ihr feingemeißeltes Gesicht in den Sternenschein. Ihr trüber Blick sprach von Verfall, von Ausschweifung.
    »Dein Gesicht sieht aus, als hättest du darin geschlafen«, sagte Francis und ging weiter.
    »Ich bin krank.« Der wilde Klang ihrer Stimme stoppte seine Schritte. »Setz dich!«
    Er gehorchte – ohne zu wissen, warum. Ein ungewöhnlich langer Tisch trennte ihn von seiner Liebsten. »Willst du nicht in die Klinik gehen.«
    »Es fängt mit A an.«
    »Alkoholismus?«
    »Nein!« Ihre Melancholie verwandelte sich übergangslos in hektische Fröhlichkeit. »Francis, Liebster, ich habe eine süße, wunderbare Überraschung für dich. Ich habe mir das vorher ganz genau überlegt… Starr mich nicht so an! Können dein schiefer Mund und deine blecherne Stimme keine Freude mehr ausdrücken?«
    »Eine schwangere Frau sollte nicht soviel trinken.«
    Damit veranlaßte er sie, die Flasche zu packen und über einem Champagnerglas umzudrehen. Der letzte Tropfen floß heraus, bevor es zu einer Überschwemmung kam. »Ein Trinkspruch!« rief sie, hob das Glas und dirigierte damit ein unsichtbares Orchester. »Prost, du altbackener Brotkosmetiker!« Sie hielt das Glas an die Lippen, blies hinein.
    »Womit willst du mich überraschen?«
    »Die Überraschung… Ich kann mich nicht mehr erinnern. Gib mir irgendeinen Hinweis. Was könnte es sein? Ist es verdaulich?«
    Francis kaute an der Unterlippe. »Tez, wo warst du? Im Hospital?«
    »Im Tolca-Tempel – mit sechs verwaisten Chitzals. Sie haben jetzt alle Namen. Irgendwann wurde ich hungrig. Hast du schon mal versucht, Fell zu essen. Lostwax? Es geht nicht. Deshalb bin ich zurückgekommen.«
    Sie nahm einen Schluck Wein, und Francis sah seine Chance gekommen. Stolpernd sprudelten die Worte aus ihm heraus, er verhaspelte sich immer wieder, aber der Sinn seines Berichts drang sogar in Tez’ umnebeltes Bewußtsein vor. Die Neurovoren waren ausgerottet worden. Burne war verwundet. Sie würden morgen abfliegen – vorausgesetzt, daß es ihm besserging. Wollte sie noch immer mitkommen?
    »Natürlich!! Ich glaube, ich werde eine gute Sprengballspielerin abgeben, was? Knieschoner mit Spikes – wie witzig!«
    »Warum bist du davongelaufen?«
    »Großer Gott, wir haben gewonnen! Ich hätte auch zur Armee gehen sollen. Das muß ja ein tolles Picknick gewesen sein – wenn man ihnen die ranzigen Augen wie Furze rausgequetscht hat…«
    »Tez, verdammt…«
    »Burne ist ein richtiger Held, nicht wahr? Um die Wahrheit zu gestehen, da ist irgendwas in mir drin, das schon immer mit ihm schlafen wollte. Ich weiß nicht, wo dieser Teil meines Ich ist, aber…«
    Francis sprang auf. »Zum letztenmal – warum bist du weggelaufen?«
    »Das weiß ich nicht!« feuerte sie zurück.
    »Aber ich weiß es, Tez! Vor vier Tagen hast du einen Jungen zur Schnecke gemacht, weil er uns ein schlechtes Kanu vermietet hat.«
    »Ich hätte seinen Familienschmuck klauen sollen.«
    »Und dann hast du Huaca bei der Bestattung deines Vaters geohrfeigt…«
    »Vater hat mir geholfen, das zu ertragen, Lostwax.«
    »Du hast dich in letzter Zeit etwas sonderbar gefühlt, nicht wahr?«
    »Wie ein Pandabär…«
    »Ich muß dir etwas gestehen… Tez – ich war es, der diese Veränderung bewirkt hat.«
    »Ich liebe Geständnisse.«
    Francis triumphierte insgeheim. Das ging viel glatter, als er es zu hoffen gewagt hatte. »Ich wußte ja,

Weitere Kostenlose Bücher