Der Wein des Frevels
Immerhin hatten drei Tage dazwischengelegen. »Wenn – die Überdosis gefährlich war«, stotterte er, »hättest du es mittlerweile merken müssen.«
Als wollten sie den Boden imitieren, wurden ihre Augen rot und glasig. »Ich habe es längst gemerkt. Noctus hat mich böse und zornig gemacht.«
»Ich verdiene deinen Zorn.«
»Böse auf Huaca.«
»Der verdient es auch.«
»Auf Mool.«
»Der hat deinen Vater mit Coyo behandelt.«
Plötzlich verzerrte sich Tez’ Gesicht zu einem schrecklichen Grinsen. »Auf unser Baby.«
Das kam unerwartet, und Francis brauchte einen Augenblick, um seine Gedanken zu ordnen. »Es müßte wütend auf dich sein – weil du soviel trinkst.«
Tez’ Lippen grinsten noch immer – aber es war kein Grinsen mehr, sondern etwas viel Unnatürlicheres. »Es hat mich getreten. Nicht jetzt. Ich habe eine Pflanze gegessen.« Sie zeigte auf das Chaos. »Wie muß es wohl sein, wenn man sich da drauf liebt? Hält das Leben Abenteuer bereit, von denen wir nichts ahnen?«
»Was für eine Pflanze?«
»Azti. Meine Krankheit beginnt mit einem A. Ich bin einfach ins Hospital gegangen und habe mir einen Krug geholt. Wenn man, eine Diebin ist, kriegt man alles umsonst.«
»Und Azti schläfert einen Fötus ein?«
»Heia, puppeia…«, sang sie leise.
Eine fremdartige, prickelnde Angst stieg in ihm hoch. »Tez, mach deine Robe auf!«
Lässig löste sie den Gürtel, zog die beiden Hälften auseinander. Ihr Bauch war flach. »Es ist weg«, gurgelte sie. »Das scheußliche Ding, das meinen Körper gemietet hat, tritt mich nicht mehr. A bedeutet Azti. A bedeutet Abtreibung.«
Francis schrie, bis er glaubte, sein Hals müsse bersten.
Tez schloß die Robe, verschränkte die Arme vor der Brust. Mit vier Schritten war sie bei der Treppe, stieg hinauf, bis ihre Füße auf gleicher Höhe mit Francis’ Kopf waren. »Ich bin keine Quetzalianerin mehr«, sagte sie mit erschöpfter Stimme und überließ ihn seinen Tränen.
Lamux’ Teekanne, das Paradepferd der Winterkonstellationen, beleuchtete den Raum. Francis schwankte betrunken zum Bett und sehnte sich nach einem Wunder. Er wünschte, daß es sechs Tage früher wäre – daß er jetzt mit einer giftigen Spritze in der Hand zu der schlafenden Tez ging – nicht mit dieser Champagnerflasche – daß er sich anders besann, daß er die Spritze aus dem Fenster warf.
Er schob sich den Flaschenhals in den Mund, nahm einen großen Schluck. Einen Meter von ihm entfernt lag Tez mit ihrem flachen Bauch unter einer dicken Decke. »Liebste?« murmelte er.
Sie bewegte sich. »Ja?«
»Tez, ich habe über alles nachgedacht. Wenn wir morgen zur Nerde aufbrechen und versuchen, einander zu verzeihen, und uns vor Augen führen… Zum Teufel, wir können wieder ein Kind bekommen. All die vielen Scherben könnten sich wieder zusammenfügen, wenn wir das Gefühl haben, daß es noch Hoffnung gibt…«
Tez’ Antwort war eine warme, verlangende Hand, die aus der zerknüllten Wolle auftauchte und seinen Gürtel löste. Die Finger schlossen sich um das Band, zogen ihn ins Bett. In dem Augenblick, in dem sich die beiden Körper berührten, wurde eine wilde Aktivität ausgelöst, nach der er sich leicht besudelt, aber trotzdem befriedigt fühlte.
Angelockt vom weindurchtränkten Blut in seinem Gehirn, überkam ihn der Schlaf in einer einzigen, ungebrochenen Welle. Er träumte, daß er mit Tez einen großen Regenbogenvogel auf die Außenwand des Galileo-Instituts malte. Ein kleiner Junge mit Tez’ braunem Haar mischte die Farben.
Andere Träume debütierten in dieser Nacht, und keiner war merkwürdig genug, um in der Erinnerung haften zu bleiben, aber bei Tagesanbruch bekam er die Insekten zurück, die Robert Poogley ihm gestohlen hatte. Die beiden Feinde trieben in einem Boot umher, auf einem ätzenden Meer – ein Umstand, der eindeutig eine Versöhnung forderte. Poogley griff gerade hinter seinen Rücken, um die gläserne Zigarrenkassette hervorzuholen, als ein beharrliches Klopfen erklang und das Boot zum Kentern brachte. Francis fiel in das ätzende Wasser und tauchte ins Bewußtsein empor, das Schlafzimmer drehte sich um ihn. Nach wenigen Sekunden hatte er Bilanz gezogen. Dies war die Wirklichkeit. Es gab kein Baby. Tez hatte eine Überdosis Noctus im Körper.
»Tez!« Die Ohren immer noch vom Schlaf betäubt, schrie er viel zu laut. »Mach die Tür auf!«
Keine Bewegung zur Linken, an ihrem üblichen Platz. Stöhnend setzte er sich auf. Das Hämmern drang
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