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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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krank?«
    »Sie haben ihn auf einer Bahre weggetragen.«
    Francis begann zu wimmern wie der Collie aus seiner Kindheit, denn er wußte, daß er heute nicht nach Hause fliegen würde.
     
    Von einer keimfreien Zivilisation erbaut, war die Chimec-Pyramide nicht von jenen scharfen, in die Nase stechenden Gerüchen erfüllt, die alle Nerdenmenschen mit Kliniken zu assoziieren pflegen. Keine Desinfektionsmittel – das ist also der Grund, warum mir dieser Bau immer so unwirklich erschienen ist, dachte Francis, als er durch die sauberen Freskenkorridore lief, gefolgt von dem keuchenden Huaca. Es war jene Art von dummen, irrelevanten Gedanken, die ihm immer dann kamen, wenn er außer sich war vor Verzweiflung.
    Tixo Mool stand vor dem Operationssaal und studierte eine Wandmalerei. Ein Künstler (er hatte nicht mitgekämpft) hatte eine brutale, blutrünstige Impression vom jüngsten Neurovorenkrieg geschaffen. Die Quetzalianer waren schon trocken, die Gehirnfresser immer noch feucht.
    »Mein Sohn war auch dabei«, sagte Mool, als Francis auf ihn zurannte.
    »Wahrscheinlich ist er noch am Leben. Es sind ja nur dreiundvierzig gestorben.«
    »Dreiundvierzig«, wiederholte Mool dumpf. Er schien in Trance zu sein. »Vierundvierzig, wenn wir den Nerdenmann auch noch verlieren. Wie ist das passiert?«
    »Eine Kriegsverletzung. Ist sie infiziert?«
    »Ich weiß, was eine Kriegsverletzung ist. Sie hatten auch eine, alswir uns kennenlernten, Lostwax. Doch das war ein schönerer Tag als heute – ein Tag, bevor die Armee aufgestellt wurde…« Er wandte sich von der Wandmalerei ab und starrte auf einen Klotz aus Bandagen. »Wer ist denn das?«
    Huaca nannte seinen berühmten Namen.
    »Das war eine gute Idee, die Sie da hatten, Mr. Yon – Ihr brillantes Gehirn zu mumifizieren…« Mools leerer Blick schweifte wieder zu dem Wandgemälde. »Es ist schlimmer als eine Infektion.«
    »Ich kenne das Wort«, sagte Francis. »Gangräne.«
    »Woher kommt die Darwin?«
    »Von Arete.«
    »Dieser Planet muß Clostridium welchii begünstigen.«
    »Und die haben wir in unserem Schiff mitgebracht?«
    Mool schnitt eine Grimasse. »Dort haben sie vermutlich auf eine neue Chance gewartet. Hier gibt’s so gut wie keine Gangräne. Was wissen Sie darüber, Nerdenmann?«
    »Halten Sie die Wunde sauber, und schneiden Sie ein bißchen Granulationsgewebe raus.«
    »Das tun wir bereits. Aber die Bakterien gelangen trotzdem ins Blut.«
    »Dann schneiden Sie das Bein ab«, entgegnete Francis kühl.
    »Dazu haben wir uns schon entschlossen!« Mool trat durch den Torbogen. Francis folgte ihm und erinnerte sich an jenen erstaunlichen Tag, an dem man ihn in den OP gerollt hatte und Tez in sein Gehirn eingedrungen war.
    Die Galerie war leer. Bei einer Tür am anderen Ende des Saales stand eine Flötistin und musizierte. Der riesenhafte junge Mann, der bei Francis’ Amputation assistiert hatte, versuchte unentbehrlich und produktiv auszusehen, wartete aber offensichtlich auf Mools Anweisungen und umkreiste unruhig den gepolsterten Tisch.
    Francis ging darauf zu, und beim Anblick seines Freundes, der bewußtlos dalag, stöhnte er unwillkürlich auf. Das war nicht der wirkliche Burne, dieser starke, tatendurstige Mann, sondern eine leere Hülle, die der richtige Burne einmal bewohnt hatte. Im Augenblick schützte ihn ein tiefer Drogenschlaf vor den Schmerzen der Infektion. Aus den geschwollenen Tiefen seines Beins ragte ein Katheter und goß Reinigungsflüssigkeiten in die wilde Schlacht mit dem Brand.
    »Wir müssen die Wunde abschneiden«, sagte Mool mehr mitfühlend als klinisch. Der Krankenpfleger zuckte zusammen, ging hinaus und kam bald darauf mit glitzernden Instrumenten zurück – mit Skalpellen, Sägen und Eisstäben.
    »Ich kann das nicht mit ansehen«, verkündete Huaca von der Tür her.
    Francis seufzte. »Tun Sie Ihr Bestes, Mool. Quetzalia hat diesem Mann die Freiheit zu verdanken.«
    »Ich werde mein Bestes tun. Aber Sie wissen hoffentlich, daß wiruns auf einem verzweifelten Kurs befinden. Und Sie wissen hoffentlich auch, daß Burne Newman niemals unser Nationalheld werden wird.«
    »In der Vij-Arena sagten Sie, unsere Studien seien… Jetzt fällt es mir wieder ein. Sie sagten, das seien Klassiker. Sie hatten recht. Burne wußte genau, was er tat.«
    »Ich fürchte, ich habe begonnen, die Welt so zu betrachten, wie Tez sie sieht. Zolmec und veraltete Traditionen sind nicht das gleiche. Man wird keine Statuen von Burne Newman aufstellen – nicht, wenn

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